Fluggastdatenaustausch – und die Europäische Grundrechtecharta

Das geplante Abkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union über die Übermittlung von Fluggastdatensätzen darf nach einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in seiner jetzigen Form nicht geschlossen werden.

Fluggastdatenaustausch – und die Europäische Grundrechtecharta

Zwar ist die systematische Übermittlung, Speicherung und Verwendung sämtlicher Fluggastdatensätze nach Einschätzung des Unionsgerichtshofs im Wesentlichen zulässig, doch genügen mehrere Bestimmungen des Abkommensentwurfs nicht den Anforderungen, die sich aus den Grundrechten der Union ergeben.

Die Europäische Union und Kanada haben ein Abkommen über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Records – PNR) ausgehandelt, das im Jahr 2014 unterzeichnet wurde. Der Rat der Europäischen Union ersuchte das Europäische Parlament um Zustimmung zum Abkommen. Das Europäische Parlament hat daraufhin den Gerichtshof der Europäischen Union angerufen, um Aufschluss darüber zu erhalten, ob das geplante Abkommen mit dem Unionsrecht, insbesondere mit den Vorschriften über die Achtung des Privatlebens und den Schutz personenbezogener Daten, vereinbar ist.

Ein Mitgliedstaat, das Europäische Parlament, der Rat oder die Kommission kann ein Gutachten des Gerichtshofs der Europäischen Union über die Vereinbarkeit einer geplanten Übereinkunft mit den Verträgen einholen. Ist das Gutachten des Unionsgerichtshofs ablehnend, so kann die geplante Übereinkunft nur in Kraft treten, wenn sie oder die Verträge geändert werden. Dies hier ist das erste Mal, dass der Unionsgerichtshof über die Vereinbarkeit einer geplanten internationalen Übereinkunft mit der Grundrechtecharta der Europäischen Union zu befinden hat.

Inhaltsübersicht


Das Gutachten des EuGH im Überblick[↑]

In seinem jetzt vorgelegten Gutachten antwortet der Uniongsgerichtshof, dass das geplante Abkommen in seiner jetzigen Form nicht geschlossen werden darf, weil mehrere seiner Bestimmungen nicht mit den von der Union anerkannten Grundrechten vereinbar sind:

Das geplante Abkommen ermöglicht die systematische und kontinuierliche Übermittlung der PNR-Daten sämtlicher Fluggäste an eine kanadische Behörde zur Verwendung, Speicherung und eventuellen Weitergabe an andere Behörden und Drittländer mit dem Ziel der Bekämpfung von Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität. Das geplante Abkommen sieht dabei u. a. eine Speicherung der PNR-Daten für die Dauer von fünf Jahren, Anforderungen an die Sicherheit und Integrität der Daten, die sofortige Unkenntlichmachung sensibler Daten, Rechte auf Zugang zu den Daten, auf ihre Berichtigung und auf ihre Löschung sowie die Möglichkeit vor, verwaltungsrechtliche oder gerichtliche Rechtsbehelfe einzulegen.

Die PNR-Daten können zusammen betrachtet u. a. einen gesamten Reiseverlauf, Reisegewohnheiten, Beziehungen zwischen zwei oder mehreren Personen sowie Informationen über die finanzielle Situation der Fluggäste, ihre Ernährungsgewohnheiten oder ihren Gesundheitszustand offenbaren und sogar sensible Daten über die Fluggäste liefern. Die übermittelten PNR-Daten sollen zudem vor der Ankunft der Fluggäste in Kanada systematisch durch automatisierte Verfahren analysiert werden, die auf im Voraus festgelegten Modellen und Kriterien beruhen. Dadurch können weitere Informationen über das Privatleben der Fluggäste erlangt werden. Schließlich macht das Abkommen, da die PNR-Daten bis zu fünf Jahre gespeichert werden können, Informationen über das Privatleben der Fluggäste während eines besonders langen Zeitraums verfügbar.

Der Unionsgerichtshof stellt deshalb fest, dass sowohl die Übermittlung der PNR-Daten von der Union an Kanada als auch die im geplanten Abkommen enthaltenen Regeln für die Speicherung, Verwendung und eventuelle Weitergabe der Daten an kanadische, europäische oder ausländische Behörden in das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens eingreifen. Das geplante Abkommen stellt ferner einen Eingriff in das Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten dar.

Der Unionsgerichtshof prüft sodann, ob diese Eingriffe gerechtfertigt werden können. Er stellt hierzu fest, dass die fraglichen Eingriffe durch die Verfolgung eines dem Gemeinwohl dienenden Ziels (Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit im Rahmen der Bekämpfung terroristischer Straftaten und grenzübergreifender schwerer Kriminalität) gerechtfertigt sind und dass die Übermittlung der PNR-Daten an Kanada und ihre anschließende Verarbeitung geeignet sind, die Verwirklichung dieses Ziels zu gewährleisten.

Zur Erforderlichkeit der Eingriffe stellt der Unionsgerichtshof fest, dass sich mehrere Bestimmungen des Abkommens nicht auf das absolut Notwendige beschränken und keine klaren und präzisen Regeln enthalten.

Der Gerichtshof der Europäischen Union führt hierzu insbesondere aus, dass die Parteien des Abkommens die Möglichkeit vorgesehen haben, sensible Daten (zu denen sämtliche Informationen gehören, aus denen „die rassische oder ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit“ hervorgehen oder die „Gesundheit oder Sexualleben einer Person“ betreffen) an Kanada zu übermitteln. In Anbetracht des Risikos einer gegen das Diskriminierungsverbot verstoßenden Verarbeitung bedürfte die Übermittlung sensibler Daten an Kanada einer präzisen und besonders fundierten, auf andere Gründe als den Schutz der öffentlichen Sicherheit vor Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität gestützten Rechtfertigung. Im vorliegenden Fall fehlt es aber an einer solchen Rechtfertigung. Der Unionsgerichtshof folgert daraus, dass die Bestimmungen des Abkommens über die Übermittlung sensibler Daten an Kanada sowie über deren Verarbeitung und Speicherung nicht mit den Grundrechten vereinbar sind.

Nach Auffassung des Unionsgerichtshofs geht das geplante Abkommen dadurch, dass es die Übermittlung der PNR-Daten sämtlicher Fluggäste an Kanada ermöglicht, nicht über das absolut Notwendige hinaus. Mit der automatisierten Verarbeitung der PNR-Daten soll nämlich ermittelt werden, ob möglicherweise eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit von Personen ausgeht, die den zuständigen Stellen nicht bekannt sind und die wegen dieser Gefahr an der Grenze einer eingehenden Überprüfung unterzogen werden könnten. Die automatisierte Verarbeitung der PNR-Daten erleichtert und beschleunigt die Sicherheitskontrollen (insbesondere an den Grenzen), denen sämtliche Fluggäste unterliegen, die nach Kanada einreisen oder aus Kanada ausreisen möchten. Sie müssen nämlich nach Art. 13 des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt[1] (Abkommen von Chicago) die Ein- oder Ausreisevoraussetzungen des geltenden kanadischen Rechts erfüllen.

Aus denselben Gründen liegt, solange sich die Fluggäste in Kanada befinden oder im Begriff sind, aus diesem Land auszureisen, der erforderliche Zusammenhang zwischen ihren PNR-Daten und dem mit dem geplanten Abkommen verfolgten Ziel vor, so dass es nicht über das absolut Notwendige hinausgeht, nur weil es die systematische Speicherung und Verwendung der PNR-Daten ermöglicht.

Zur Verwendung der PNR-Daten während des Aufenthalts der Fluggäste in Kanada stellt der Unionsgerichtshof allerdings fest, dass den Fluggästen nach der Überprüfung ihrer PNR-Daten die Einreise in das kanadische Hoheitsgebiet gestattet wurde, so dass eine Verwendung der Daten während ihres Aufenthalts in Kanada auf neue Umstände gestützt werden muss, die eine solche Verwendung rechtfertigen. Nach der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs erfordert dies, insbesondere zum Schutz der Daten vor Missbrauchsrisiken, Regeln, aus denen die materiell- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für ihre Verwendung hervorgehen. Solche Regeln müssen sich auf objektive Kriterien stützen, die definieren, unter welchen Umständen und unter welchen Voraussetzungen die im geplanten Abkommen genannten kanadischen Behörden die Daten verwenden dürfen. Damit in der Praxis die vollständige Einhaltung dieser Voraussetzungen gewährleistet ist, muss die Verwendung der gespeicherten PNR-Daten während des Aufenthalts der Fluggäste in Kanada grundsätzlich – außer in hinreichend begründeten Eilfällen – einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle unterworfen werden, und deren Entscheidung muss im Anschluss an einen mit Gründen versehenen Antrag ergehen, der von den zuständigen Behörden insbesondere im Rahmen von Verfahren zur Verhütung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten gestellt wird.

Die durch das geplante Abkommen gestattete dauerhafte Speicherung der PNR-Daten sämtlicher Fluggäste nach ihrer Ausreise aus Kanada ist nicht auf das absolut Notwendige beschränkt. Bei Fluggästen, bei denen eine Gefahr im Bereich des Terrorismus oder grenzübergreifender schwerer Kriminalität weder bei ihrer Ankunft in Kanada noch bis zu ihrer Ausreise aus diesem Land festgestellt wurde, scheint nach ihrer Ausreise nämlich kein Zusammenhang, sei er auch mittelbarer Art, zwischen ihren PNR-Daten und dem mit dem geplanten Abkommen verfolgten Ziel zu bestehen, der die Speicherung der Daten rechtfertigen würde. Bestehen dagegen objektive Anhaltspunkte dafür, dass von bestimmten Fluggästen auch nach ihrer Ausreise aus Kanada eine Gefahr im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität ausgehen könnte, ist eine Speicherung ihrer PNR-Daten über ihren Aufenthalt in Kanada hinaus zulässig, und zwar auch für die Dauer von fünf Jahren. Die Verwendung der PNR-Daten unterliegt dann denselben Anforderungen wie während des Aufenthalts der Fluggäste in Kanada.

Nach Auffassung des Unionsgerichtshofs sind weitere Bestimmungen des geplanten Abkommens nicht mit den Grundrechten vereinbar, so dass das Abkommen geändert werden muss, um die Eingriffe besser und genauer einzugrenzen. Der Unionsgerichtshof stellt dazu fest, dass das Abkommen

  • einige der zu übermittelnden PNR-Daten klarer und präziser definieren muss;
  • vorsehen muss, dass die im Rahmen der automatisierten Verarbeitung von PNR-Daten verwendeten Modelle und Kriterien spezifisch und zuverlässig sowie nicht diskriminierend sind;
  • vorsehen muss, dass nur Datenbanken verwendet werden, die von Kanada im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität betrieben werden;
  • vorsehen muss, dass die PNR-Daten von den kanadischen Behörden nur dann an die Behörden eines Nicht-EU-Lands weitergegeben werden dürfen, wenn es ein dem geplanten Abkommen äquivalentes Abkommen zwischen der Union und dem betreffenden Land oder einen Beschluss der Europäischen Kommission in diesem Bereich gibt;
  • ein Recht auf individuelle Information der Fluggäste im Fall der Verwendung der sie betreffenden PNR-Daten während ihres Aufenthalts in Kanada und nach ihrer Ausreise aus diesem Land sowie im Fall der Weitergabe dieser Daten an andere Behörden oder an Einzelpersonen vorsehen muss;
  • gewährleisten muss, dass die Kontrolle der Einhaltung der Regeln für den Schutz der Fluggäste bei der Verarbeitung ihrer PNR-Daten durch eine unabhängige Kontrollstelle sichergestellt wird.

Da sich nicht alle mit dem geplanten Abkommen verbundenen Eingriffe auf das absolut Notwendige beschränken und somit nicht in vollem Umfang gerechtfertigt sind, gelangt der Unionsgerichtshof zu dem Schluss, dass das geplante Abkommen in seiner jetzigen Form nicht geschlossen werden darf.

Schließlich möchte das Parlament wissen, ob das geplante Abkommen rechtlich auf die Art. 82 und 87 AEUV (justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen und polizeiliche Zusammenarbeit) oder auf Art. 16 AEUV (Schutz personenbezogener Daten) zu stützen ist. Darauf antwortet der Unionsgerichtshof, dass das Abkommen sowohl auf Art. 16 als auch auf Art. 87 AEUV zu stützen ist. Mit ihm werden nämlich zwei gleichrangige, untrennbar miteinander verbundene Ziele verfolgt: die Bekämpfung von Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität, die unter Art. 87 AEUV fällt, einerseits und der Schutz personenbezogener Daten, der unter Art. 16 AEUV fällt, andererseits.

Das Gutachten des EuGH im Einzelnen[↑]

Zunächst weist der Unionsgerichtshorf darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs Bestimmungen einer internationalen Übereinkunft, die die Union gemäß den Art. 217 und 218 AEUV geschlossen hat, ab dem Inkrafttreten der Übereinkunft Bestandteil der Unionsrechtsordnung sind[2]. Sie müssen darum mit den Verträgen und den Verfassungsgrundsätzen, die sich aus ihnen ableiten lassen, im Einklang stehen.

Zur Zulässigkeit des Gutachtenantrags[↑]

Nach Art. 218 Abs. 11 AEUV können ein Mitgliedstaat, das Europäische Parlament, der Rat oder die Kommission ein Gutachten des Unionsgerichtshofs über die Vereinbarkeit einer geplanten Übereinkunft mit den Verträgen einholen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs dient diese Bestimmung dazu, Komplikationen zu vermeiden, die entstehen könnten, wenn die Vereinbarkeit internationaler Übereinkünfte, die die Union verpflichten, mit den Verträgen vor Gericht bestritten würde. Eine gerichtliche Entscheidung, mit der eine die Union verpflichtende internationale Übereinkunft nach ihrem Abschluss wegen ihres Inhalts oder des Verfahrens ihres Zustandekommens für mit den Verträgen unvereinbar erklärt würde, würde nämlich nicht nur unionsintern, sondern auch auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen zu ernsten Schwierigkeiten führen und könnte für alle Beteiligten einschließlich der Drittstaaten Nachteile mit sich bringen[3].

Demnach müssen im Rahmen des Verfahrens gemäß Art. 218 Abs. 11 AEUV alle Fragen zulässig sein, die Zweifel an der materiellen oder formellen Vereinbarkeit des Abkommens mit den Verträgen hervorrufen können. Die Beurteilung der Vereinbarkeit eines Abkommens mit den Verträgen kann insoweit nicht nur von den Vorschriften über die Zuständigkeit, das Verfahren oder das institutionelle Gefüge der Union, sondern auch von den Bestimmungen des materiellen Rechts abhängen[4]. Dasselbe gilt für eine Frage nach der Vereinbarkeit einer internationalen Übereinkunft mit Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 EUV und folglich mit den Garantien der Charta, die den Verträgen rechtlich gleichrangig ist.

Zu der Frage der geeigneten Rechtsgrundlage für den Beschluss des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens ist festzustellen, dass die Wahl der geeigneten Rechtsgrundlage verfassungsrechtliche Bedeutung hat, da die Union, die nur über begrenzte Ermächtigungen verfügt, die Rechtsakte, die sie erlässt, mit einer Bestimmung des AEU-Vertrags verknüpfen muss, die sie tatsächlich hierzu ermächtigt[5].

Die Wahl einer ungeeigneten Rechtsgrundlage kann somit den Abschlussakt selbst ungültig machen – ein Mangel, unter dem dann auch die Zustimmung der Union zu ihrer Bindung an die von ihr unterzeichnete Übereinkunft leidet.

Das Vorbringen der französischen Regierung und des Rates, dass sich die etwaige Wahl einer ungeeigneten Rechtsgrundlage im vorliegenden Fall weder auf die Zuständigkeit der Union für den Abschluss des geplanten Abkommens noch auf die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten in diesem Bereich oder auf das anzuwendende Verfahren auswirken würde, kann nicht dazu führen, dass die zweite Frage des Gutachtenantrags für unzulässig erklärt wird.

Das Verfahren gemäß Art. 218 Abs. 11 AEUV dient nämlich dazu, durch die vorherige Anrufung des Unionsgerichtshofs Komplikationen zu vermeiden, die auf Unionsebene und auf internationaler Ebene entstehen könnten, wenn ein Rechtsakt, mit dem eine internationale Übereinkunft geschlossen wird, für ungültig erklärt würde. Deshalb ist die Anrufung des Unionsgerichtshofs schon dann zulässig, wenn die Gefahr einer solchen Ungültigerklärung besteht. Außerdem ist die Frage, welche tatsächlichen Auswirkungen die Wahl einer oder mehrerer ungeeigneter Rechtsgrundlagen in einem konkreten Fall auf die Gültigkeit eines Rechtsakts wie des Beschlusses des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens hat, mit dem eine internationale Übereinkunft geschlossen wird, untrennbar mit der Prüfung der materiellen Frage verbunden, welche Rechtsgrundlage geeignet ist. Sie kann daher nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit eines Gutachtenantrags beurteilt werden.

Somit ist festzustellen, dass der vorliegende Gutachtenantrag insgesamt zulässig ist.

Zur geeigneten Rechtsgrundlage des Beschlusses des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens[↑]

Nach ständiger Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs muss sich die Wahl der Rechtsgrundlage eines Rechtsakts der Union – einschließlich eines Rechtsakts, der im Hinblick auf den Abschluss einer internationalen Übereinkunft erlassen wird – auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen, wozu das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts gehören[6].

Ergibt die Prüfung eines Unionsrechtsakts, dass er zwei Zielsetzungen hat oder aus zwei Komponenten besteht, und lässt sich eine von ihnen als die hauptsächliche oder überwiegende ausmachen, während die andere nur nebensächliche Bedeutung hat, so ist der Rechtsakt nur auf eine Rechtsgrundlage zu stützen, und zwar auf die, die die hauptsächliche oder überwiegende Zielsetzung oder Komponente erfordert. Verfolgt eine Maßnahme dagegen mehrere Zielsetzungen zugleich oder besteht sie aus mehreren Komponenten, die untrennbar miteinander verbunden sind, ohne dass die eine gegenüber der anderen nebensächlich ist, so dass verschiedene Vertragsbestimmungen anwendbar sind, ist sie ausnahmsweise auf die entsprechenden verschiedenen Rechtsgrundlagen zu stützen[7].

Der Rückgriff auf eine doppelte Rechtsgrundlage ist jedoch ausgeschlossen, wenn sich die für die beiden Rechtsgrundlagen jeweils vorgesehenen Verfahren nicht miteinander vereinbaren lassen[8].

Die geeignete Rechtsgrundlage für den Beschluss des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens ist im Licht dieser Erwägungen zu bestimmen.

Zu Ziel und Inhalt des geplanten Abkommens[↑]

Mit dem geplanten Abkommen möchten die Vertragsparteien nach Abs. 3 seiner Präambel ihre Zusammenarbeit ausbauen und weiter voranbringen. Wie es hierzu in Art. 1 („Gegenstand des Abkommens“) des Abkommens heißt, „legen die Parteien fest, unter welchen Bedingungen [PNR-Daten] zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit zu übermitteln und zu verwenden [sind] und wie sie geschützt werden“.

Zu dem in Art. 1 des geplanten Abkommens genannten Ziel des Schutzes der öffentlichen Sicherheit heißt es in Abs. 1 seiner Präambel u. a., dass die Parteien in dem Bemühen handeln, Terrorismus und Straftaten mit terroristischem Hintergrund sowie andere grenzübergreifende schwere Kriminalität zu verhindern, zu bekämpfen, zu unterbinden und zu beseitigen. Vor diesem Hintergrund wird in den Abs. 2 und 4 der Präambel die Bedeutung der Bekämpfung von Terrorismus und Straftaten mit terroristischem Hintergrund sowie anderer grenzübergreifender schwerer Kriminalität und der Verwendung der PNR-Daten und des Austauschs von Informationen hierzu hervorgehoben. Auf der Grundlage dieser Feststellungen heißt es dann in Abs. 5 der Präambel, dass zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und zu Strafverfolgungszwecken Regeln für die Übermittlung von PNR-Daten durch die Fluggesellschaften an Kanada festgelegt werden sollten. Schließlich wird in Abs. 16 der Präambel die Bedeutung unterstrichen, die dem Austausch von PNR-Daten und einschlägigen analytischen Informationen, die solche Daten enthalten, die Kanada von den zuständigen Polizei- und Justizbehörden der Mitgliedstaaten der Union, von Europol und von Eurojust erhalten hat, als Mittel zur Stärkung der internationalen polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit zukommt.

Mit dem geplanten Abkommen wird demnach das Ziel verfolgt, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, indem PNR-Daten an Kanada übermittelt und im Rahmen der Bekämpfung terroristischer Straftaten und grenzübergreifender schwerer Kriminalität verwendet werden, auch indem sie mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten der Union sowie mit Europol und Eurojust ausgetauscht werden.

Zum zweiten in Art. 1 des geplanten Abkommens genannten Ziel, nämlich der Festlegung, wie die PNR-Daten geschützt werden, wird in den Abs. 2, 6 und 7 der Präambel des geplanten Abkommens hervorgehoben, dass es erforderlich ist, im Einklang mit den Verpflichtungen der Union aus Art. 6 EUV die Grundrechte zu schützen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privatlebens und das Recht auf Schutz personenbezogener Daten, die durch die Art. 7 und 8 der Charta garantiert sind, und dass die Parteien durch gemeinsame Werte in Bezug auf Datenschutz und Achtung der Privatsphäre verbunden sind.

Ferner geht aus Art. 5 des geplanten Abkommens hervor, dass die Rechtsvorschriften, die die zuständige kanadische Behörde bei der Verarbeitung der PNR-Daten zu beachten hat, das nach dem Unionsrecht gebotene angemessene Schutzniveau im Bereich des Schutzes personenbezogener Daten aufweisen sollen. Mit dem Abkommen wird demnach auch das Ziel verfolgt, ein solches Schutzniveau der Daten zu gewährleisten.

In Anbetracht dieser Erwägungen werden in Art. 1 des geplanten Abkommens ausdrücklich die beiden mit ihm verfolgten Ziele genannt.

Zum Inhalt des geplanten Abkommens ist festzustellen, dass sein erster Teil mit der Überschrift „Allgemeine Bestimmungen“ (Art. 1 bis 6) einen Art. 5 enthält, der vorsieht, dass vorbehaltlich der Einhaltung des Abkommens davon ausgegangen wird, dass die zuständige kanadische Behörde bei der Verarbeitung und Verwendung von PNR-Daten einen angemessenen Schutz im Sinne der einschlägigen Datenschutzvorschriften der Europäischen Union gewährleistet. Ferner wird davon ausgegangen, dass alle Fluggesellschaften, die Kanada auf der Grundlage des Abkommens PNR-Daten übermitteln, die unionsrechtlichen Anforderungen bezüglich der Übermittlung dieser Daten aus der Union an Kanada erfüllen. Der erste Teil des geplanten Abkommens enthält ferner einen Art. 4, dessen Abs. 1 vorsieht, dass die Union dafür sorgt, dass die Fluggesellschaften nicht daran gehindert werden, der zuständigen kanadischen Behörde PNR-Daten zu übermitteln, wobei diese Behörde nach Art. 2 Buchst. d des Abkommens für den Erhalt und die Verarbeitung der Daten verantwortlich ist. Art. 3 des Abkommens, in dem geregelt ist, zu welchen Zwecken die Verarbeitung der PNR-Daten durch die zuständige kanadische Behörde zulässig ist, sieht in Abs. 1 vor, dass die Verarbeitung nur zum Zweck der Verhinderung, Aufdeckung, Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung von terroristischen Straftaten und grenzübergreifender schwerer Kriminalität zulässig ist, wobei in den Abs. 4 und 5 begrenzte Ausnahmen von diesem Grundsatz vorgesehen sind. Art. 6 des Abkommens sieht schließlich vor, dass PNR-Daten und sachdienliche analytische Informationen, die solche Daten enthalten, mit den zuständigen Polizei- oder Justizbehörden der Mitgliedstaaten, Europol und Eurojust im Einklang mit den Abkommen und unter Vereinbarungen auf dem Gebiet der Strafverfolgung oder des Informationsaustauschs ausgetauscht werden.

Der zweite Teil des geplanten Abkommens mit der Überschrift „Garantien für die Verarbeitung von PNR-Daten“ (Art. 7 bis 21) enthält die Vorschriften und Grundsätze, die die Verwendung der PNR-Daten in Kanada durch die zuständige kanadische Behörde und die Weitergabe der Daten an andere Behörden dieses Drittlands und an Behörden in anderen Drittländern regeln und begrenzen. Dabei enthält Art. 7 eine Nichtdiskriminierungsklausel und Art. 8 eine besondere Vorschrift für sensible Daten, in der u. a. die Voraussetzungen, unter denen die Verwendung solcher Daten zulässig ist, abschließend geregelt sind. Der zweite Teil des Abkommens enthält in den Art. 9 und 10 zudem Vorschriften über die Sicherheit und Integrität der PNR-Daten sowie die Beaufsichtigung der Einhaltung der Garantien des Abkommens. Die Art. 11 bis 14 des Abkommens enthalten eine Vorschrift über die Transparenz und legen die Rechte von Personen fest, deren PNR-Daten betroffen sind, etwa das Recht auf Zugang zu den Daten, das Recht auf Berichtigung oder das Recht auf einen Rechtsbehelf.

Der zweite Teil des geplanten Abkommens enthält außerdem einen Art. 15, wonach Kanada Entscheidungen, die einen Fluggast erheblich beeinträchtigen, nicht allein auf der Grundlage der automatisierten Verarbeitung von PNR-Daten treffen darf, und einen Art. 16, in dem u. a. die Dauer der Speicherung von PNR-Daten, ihre Unkenntlichmachung und die Aufhebung der Unkenntlichmachung geregelt sind. Ferner sind in den Art. 18 und 19 die Weitergabe der PNR-Daten durch die zuständige kanadische Behörde und in den Art.20 und 21 das Verfahren und die Häufigkeit der Übermittlung von PNR-Daten geregelt.

Aus den verschiedenen Feststellungen zum Inhalt des geplanten Abkommens geht somit hervor, dass sein Gegenstand insbesondere die Schaffung eines Systems ist, das aus einer Gesamtheit von Regeln zum Schutz personenbezogener Daten besteht. Zu dessen Einhaltung bei der Verarbeitung der PNR-Daten hat sich Kanada verpflichtet, wie Abs. 15 der Präambel des Abkommens zu entnehmen ist.

Nach seinen Zielen und seinem Inhalt hat das geplante Abkommen demnach zwei Komponenten. Die eine betrifft die Erforderlichkeit der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, die andere den Schutz personenbezogener Daten.

Zu der Frage, welche dieser beiden Komponenten überwiegt, ist festzustellen, dass die Übermittlung von PNR-Daten durch die Fluggesellschaften an Kanada und die Verwendung dieser Daten durch die zuständige kanadische Behörde als solche zwar nur durch das Ziel gerechtfertigt werden können, die öffentliche Sicherheit in diesem Drittland und in der Union zu gewährleisten.

Inhaltlich besteht das geplante Abkommen aber zu einem großen Teil aus detaillierten Regeln, mit denen gewährleistet wird, dass die Bedingungen, unter denen die Übermittlung von PNR-Daten an Kanada für die Verwendung zu Zwecken des Schutzes der öffentlichen Sicherheit erfolgt, mit dem Schutz personenbezogener Daten im Einklang stehen.

Die Übermittlung personenbezogener Daten wie der PNR-Daten aus der Union in ein Drittland ist nämlich nur zulässig, wenn es dort Regeln gibt, die ein Schutzniveau der Grundfreiheiten und Grundrechte gewährleisten, das dem in der Union garantierten der Sache nach gleichwertig ist[9].

Die beiden Komponenten des geplanten Abkommens sind also untrennbar miteinander verbunden, so dass beide als wesentlich anzusehen sind.

Zur geeigneten Rechtsgrundlage nach dem AEU-Vertrag[↑]

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist der Beschluss über den Abschluss des geplanten Abkommens als Erstes unmittelbar dem mit Art. 16 Abs. 2 AEUV verfolgten Ziel zuzuordnen.

Unbeschadet des Art. 39 EUV stellt diese Vorschrift nämlich eine geeignete Rechtsgrundlage dar, wenn der Schutz personenbezogener Daten eines der wesentlichen Ziele oder Komponenten der vom Unionsgesetzgeber erlassenen Regeln ist. Das gilt auch für Regeln im Rahmen des Erlasses von Maßnahmen, die unter die Bestimmungen des AEU-Vertrags über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen und die polizeiliche Zusammenarbeit fallen, wie Art. 6a des Protokolls Nr. 21 und Art. 2a des Protokolls Nr. 22 sowie die oben angeführte Erklärung bestätigen.

Der Beschluss des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens ist mithin auf Art. 16 AEUV zu stützen.

Als Zweites ist der Beschluss auch auf Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV zu stützen. Diese Vorschrift sieht nämlich vor, dass das Europäische Parlament und der Rat für die Zwecke von Art. 87 Abs. 1 AEUV – wonach die Union „eine polizeiliche Zusammenarbeit zwischen allen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten [entwickelt]“ – Maßnahmen erlassen können, die das „Einholen, Speichern, Verarbeiten, Analysieren und Austauschen sachdienlicher Informationen“ betreffen.

Unter den Begriff der sachdienlichen Informationen im Sinne von Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV können in den Bereichen der Verhütung oder Aufdeckung von Straftaten sowie entsprechender Ermittlungen personenbezogene Daten fallen, unter die Begriffe „Verarbeiten“ und „Austauschen“ solcher Daten sowohl ihre Weitergabe an die Behörden der zuständigen Mitgliedstaaten als auch die Verwendung der Daten durch diese Behörden. Maßnahmen, die die Übermittlung personenbezogener Daten an die zuständigen Behörden in den Bereichen der Verhütung oder Aufdeckung von Straftaten sowie entsprechender Ermittlungen und die Verarbeitung der Daten durch diese Behörden betreffen, gehören mithin zur polizeilichen Zusammenarbeit im Sinne von Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV und können auf diese Vorschrift gestützt werden.

Im vorliegenden Fall werden durch das geplante Abkommen u. a. die Übermittlung der PNR-Daten an die zuständige kanadische Behörde und die Verwendung der Daten durch diese Behörde geregelt. Nach Art. 2 Buchst. d des geplanten Abkommens in Verbindung mit dessen Art. 3 Abs. 1 ist diese Behörde für die Verarbeitung der PNR-Daten zum Zweck der Verhinderung, Aufdeckung, Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung von terroristischen Straftaten und grenzübergreifender schwerer Kriminalität zuständig. Art. 6 des Abkommens sieht zudem vor, dass Kanada sachdienliche analytische Informationen, die PNR-Daten enthalten, zum frühestmöglichen Zeitpunkt mit Europol und Eurojust sowie mit den Polizei- oder Justizbehörden eines Mitgliedstaats austauscht und in konkreten Fällen auf Ersuchen dieser Behörden PNR-Daten oder analytische Informationen, die PNR-Daten enthalten, austauscht, um eine terroristische Straftat oder grenzübergreifende schwere Kriminalität in der Union zu verhindern, aufzudecken, zu untersuchen oder strafrechtlich zu verfolgen. Gegenstand des geplanten Abkommens ist demnach das Verarbeiten und Austauschen sachdienlicher Informationen im Sinne von Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV, so dass es auch dem Zweck von Art. 87 Abs. 1 AEUV zuzuordnen ist.

Der Umstand, dass die PNR-Daten ursprünglich von Fluggesellschaften für gewerbliche Zwecke erhoben wurden und nicht durch eine zuständige Behörde zur Verhütung oder Aufdeckung von Straftaten sowie zu entsprechenden Ermittlungen, steht daher, anders als das Parlament geltend macht, der Heranziehung von Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV als geeignete Rechtsgrundlage für den Beschluss des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens nicht entgegen.

Hingegen kann der Beschluss nicht auf Art. 82 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. d AEUV gestützt werden, wonach das Parlament und der Rat Maßnahmen erlassen dürfen, um „die Zusammenarbeit zwischen den Justizbehörden oder entsprechenden Behörden der Mitgliedstaaten im Rahmen der Strafverfolgung sowie des Vollzugs und der Vollstreckung von Entscheidungen zu erleichtern“.

Es dient nämlich keine Bestimmung des geplanten Abkommens dazu, eine solche Zusammenarbeit zu erleichtern. Außerdem stellt die zuständige kanadische Behörde weder eine Justizbehörde noch eine entsprechende Behörde dar.

Somit ist in Anbetracht der bereits angeführten Rechtsprechung festzustellen, dass der Beschluss des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens sowohl auf Art. 16 Abs. 2 als auch auf Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV gestützt werden müsste, sofern eine solche Kombination von Rechtsgrundlagen nicht nach der angeführten Rechtsprechung ausgeschlossen ist.

Zur Vereinbarkeit der Verfahren gemäß Art. 16 Abs. 2 und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV[↑]

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen des Verfahrens zum Abschluss einer internationalen Übereinkunft nach Art. 218 AEUV die materiellen Rechtsgrundlagen des Beschlusses über den Abschluss der Übereinkunft die Art des Verfahrens bestimmen, das nach Art. 218 Abs. 6 AEUV Anwendung findet[10].

Die beiden hier einschlägigen materiellen Rechtsgrundlagen, Art. 16 Abs. 2 und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV, sehen das ordentliche Gesetzgebungsverfahren vor, das die Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit im Rat und die volle Beteiligung des Parlaments am Verfahren verlangt. Der gemeinsame Rückgriff auf beide Vorschriften führt also grundsätzlich nicht zu verschiedenen Rechtsetzungsverfahren.

Der Rat macht jedoch im Wesentlichen geltend, wegen der in den Protokollen Nrn. 21 und 22 enthaltenen Vorschriften unterschieden sich die Regeln über die Abstimmung im Rat, je nachdem, ob der Beschluss über den Abschluss einer internationalen Übereinkunft auf Art. 16 Abs. 2 oder auf Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV gestützt werde.

Insoweit hat der Unionsgerichtshof zwar bereits entschieden, dass die Protokolle Nrn. 21 und 22 keine wie auch immer gearteten Auswirkungen auf die Frage der geeigneten Rechtsgrundlage für den Erlass des betreffenden Beschlusses haben können[11].

Da ein Unterschied bei den Regeln über die Abstimmung im Rat aber zur Unvereinbarkeit der fraglichen Rechtsgrundlagen führen kann[12], ist zu prüfen, welche Auswirkungen die genannten Protokolle auf die Abstimmungsregeln im Rat haben, wenn der Beschluss des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens auf Art. 16 Abs. 2 gemeinsam mit Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV gestützt wird.

Zum Protokoll Nr. 21 geht aus dem fünften Erwägungsgrund des Vorschlags für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens hervor, dass Irland und das Vereinigte Königreich mitgeteilt haben, dass sie sich an dem Beschluss beteiligen wollen. Die Vorschriften des Protokolls Nr. 21 haben daher keine Auswirkungen auf die Abstimmungsregeln im Rat, wenn der Beschluss auf Art. 16 Abs. 2 gemeinsam mit Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV gestützt wird.

Mit dem Protokoll Nr. 22 soll, wie sich aus den Abs. 3 bis 5 seiner Präambel ergibt, ein Rechtsrahmen festgelegt werden, der es den Mitgliedstaaten ermöglicht, ihre Zusammenarbeit im Bereich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts durch den Erlass von Maßnahmen ohne Beteiligung des Königreichs Dänemark, die für diesen Mitgliedstaat nicht bindend sind, weiter auszubauen, und dem Königreich Dänemark gleichzeitig die Option bietet, sich am Erlass von Maßnahmen in diesem Bereich zu beteiligen und an sie unter den Bedingungen von Art. 8 des Protokolls gebunden zu sein.

Hierzu heißt es in Art. 1 Abs. 1 des Protokolls Nr. 22, dass sich das Königreich Dänemark nicht an der Annahme von Maßnahmen durch den Rat beteiligt, die nach dem Dritten Teil Titel V des AEU-Vertrags vorgeschlagen werden. Außerdem sieht Art. 2 des Protokolls vor, dass solche Maßnahmen für das Königreich Dänemark nicht bindend sind. Nach Art. 2a des Protokolls gilt dessen Art. 2 „auch für die auf der Grundlage des Artikels 16 [AEUV] festgelegten Vorschriften über die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Mitgliedstaaten im Rahmen der Ausübung von Tätigkeiten, die in den Anwendungsbereich des Dritten Teils Titel V Kapitel 4 und 5 des genannten Vertrags fallen“, also zur polizeilichen Zusammenarbeit und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen gehören.

Im vorliegenden Fall ist der Beschluss über den Abschluss des geplanten Abkommens sowohl auf Art. 16 als auch auf Art. 87 AEUV zu stützen. Soweit er auf Art. 87 AEUV zu stützen ist, fällt er also unter den Dritten Teil Titel V Kapitel 5 des AEU-Vertrags. Nach den Art. 2 und 2a des Protokolls Nr. 22 sind für das Königreich Dänemark deshalb weder die Bestimmungen des Beschlusses noch das geplante Abkommen bindend. Außerdem wird sich das Königreich Dänemark nach Art. 1 des Protokolls Nr. 22 nicht am Erlass des Beschlusses beteiligen.

Anders als der Rat offenbar meint, wird diese Feststellung nicht dadurch entkräftet, dass in Art. 2a des Protokolls Nr. 22 lediglich auf dessen Art. 2 verwiesen wird, ohne dass ausdrücklich ausgeschlossen wird, dass sich das Königreich Dänemark am Erlass der dort genannten, auf Art. 16 AEUV gestützten Vorschriften beteiligt.

Nach der Systematik des Protokolls Nr. 22 kann dessen Art. 2 nämlich nicht unabhängig von Art. 1 verstanden und angewandt werden. Die in Art. 2 enthaltene Regel, dass die dort genannten Maßnahmen, Vorschriften und Entscheidungen für das Königreich Dänemark nicht bindend sind, ist ihrem Wesen nach verbunden mit der in Art. 1 enthaltenen Regel, dass sich das Königreich Dänemark nicht an der Annahme von Maßnahmen nach dem Dritten Teil Titel V des AEU-Vertrags beteiligt. Die beiden Regeln können also nicht unabhängig voneinander verstanden werden. Der Verweis in Art. 2a des Protokolls Nr. 22 auf dessen Art. 2 ist deshalb zwingend dahin auszulegen, dass er auch Art. 1 des Protokolls umfasst.

Würde dem Königreich Dänemark gestattet, sich am Erlass eines Unionsrechtsakts zu beteiligen, dessen Rechtsgrundlage sowohl Art. 16 AEUV als auch eine der Bestimmungen des AEU-Vertrags über die polizeiliche Zusammenarbeit und die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen ist, ohne dass der Rechtsakt für das Königreich Dänemark bindend wäre, liefe dies im Übrigen dem Ziel des Protokolls Nr. 22 zuwider.

Das Protokoll Nr. 22 kann somit im vorliegenden Fall bei gemeinsamem Rückgriff auf Art. 16 Abs. 2 und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV nicht zu unterschiedlichen Abstimmungsregeln im Rat führen.

Daher ist auf die zweite Frage des vorliegenden Gutachtenantrags zu antworten, dass der Beschluss des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens auf Art. 16 Abs. 2 gemeinsam mit Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV zu stützen ist.

Zur Vereinbarkeit des geplanten Abkommens mit den Vorschriften des AEUV und der Grundrechte-Charta[↑]

Da bei der Frage nach der Vereinbarkeit des geplanten Abkommens mit den Vorschriften des AEU-Vertrags und der Charta auf Art. 16 AEUV und auf die Art. 7 und 8 der Charta Bezug genommen wird, ist im Licht der Ausführungen des Parlaments im Gutachtenantrag davon auszugehen, dass es ein Gutachten des Unionsgerichtshofs über die Vereinbarkeit des geplanten Abkommens insbesondere mit dem Recht auf Achtung des Privatlebens und dem Recht auf Schutz personenbezogener Daten begehrt.

Soweit sich die folgenden Ausführungen auf die Vereinbarkeit des geplanten Abkommens mit dem Recht auf Schutz personenbezogener Daten beziehen, das sowohl in Art. 16 Abs. 1 AEUV als auch in Art. 8 der Charta niedergelegt ist, wird lediglich auf Art. 8 der Charta Bezug genommen. Zwar heißt es in beiden Bestimmungen, dass jede Person das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten hat. Die Voraussetzungen, unter denen solche Daten verarbeitet werden dürfen, sind aber allein in Art. 8 der Charta, und zwar in dessen Abs. 2, näher geregelt.

Zu den betroffenen Grundrechten und den Eingriffen in sie[↑]

Nach der Aufzählung im Anhang des geplanten Abkommens gehören zu den PNR-Daten, auf die sich das Abkommen bezieht, außer dem Namen des Fluggasts bzw. der Fluggäste u. a. Informationen, die für die Reservierung erforderlich sind, wie die Daten des geplanten Flugs und die Reiseroute, Flugscheininformationen, Gruppen von Personen, die unter derselben Reservierungsnummer registriert sind, die Kontaktangaben des Fluggasts bzw. der Fluggäste, Zahlungs- oder Abrechnungsinformationen, Informationen zum Gepäck und allgemeine Eintragungen über die Fluggäste.

Die PNR-Daten enthalten also Informationen über bestimmte natürliche Personen, und zwar die Fluggäste, die aus der Union nach Kanada reisen. Die verschiedenen Verarbeitungen, die mit den PNR-Daten nach dem geplanten Abkommen vorgenommen werden können, nämlich ihre Übermittlung von der Union an Kanada, der Zugang zu den Daten zu ihrer Verwendung oder ihre Speicherung, berühren das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens, das in Art. 7 der Charta garantiert ist. Denn dieses Recht erstreckt sich auf jede Information, die eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person betrifft[13].

Die im geplanten Abkommen vorgesehenen Verarbeitungen der PNR-Daten fallen zudem unter Art. 8 der Charta, weil sie Verarbeitungen personenbezogener Daten im Sinne dieses Artikels darstellen und deshalb zwangsläufig die dort vorgesehenen Erfordernisse des Datenschutzes erfüllen müssen[14].

Wie der Unionsgerichtshof bereits entschieden hat, stellt die Weitergabe personenbezogener Daten an einen Dritten, etwa eine Behörde, unabhängig von der späteren Verwendung der übermittelten Informationen einen Eingriff in das in Art. 7 der Charta verankerte Grundrecht dar. Dasselbe gilt für die Speicherung personenbezogener Daten und den Zugang zu den Daten zu ihrer Verwendung durch die Behörden. Für die Feststellung eines solchen Eingriffs kommt es nicht darauf an, ob die übermittelten Informationen als sensibel anzusehen sind oder ob die Betroffenen durch den Vorgang irgendwelche Nachteile erlitten haben[15].

Somit stellen sowohl die Übermittlung der PNR-Daten von der Union an die zuständige kanadische Behörde als auch die von der Union mit Kanada ausgehandelte Regelung der Bedingungen, unter denen die Daten gespeichert, verwendet und eventuell an andere kanadische Behörden, Europol, Eurojust, gerichtliche oder Polizeibehörden der Mitgliedstaaten oder Behörden weiterer Drittländer weitergegeben werden können, wie es u. a. die Art. 3, 4, 6, 8, 12, 15, 16, 18 und 19 des geplanten Abkommens gestatten, Eingriffe in das durch Art. 7 der Charta garantierte Grundrecht dar.

Diese Vorgänge stellen, weil es sich bei ihnen um Verarbeitungen personenbezogener Daten handelt, auch einen Eingriff in das durch Art. 8 der Charta garantierte Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten dar[16].

Insoweit ist zum einen festzustellen, dass das geplante Abkommen die systematische und kontinuierliche Übermittlung der PNR-Daten sämtlicher Fluggäste ermöglicht, die aus der Union nach Kanada reisen.

Zum anderen können die PNR-Daten, auch wenn einige von ihnen für sich genommen nicht geeignet sein dürften, bedeutsame Informationen über das Privatleben der betreffenden Personen zu liefern, zusammen betrachtet u. a. einen gesamten Reiseverlauf, Reisegewohnheiten, Beziehungen zwischen zwei oder mehreren Personen sowie Informationen über die finanzielle Situation der Fluggäste, ihre Ernährungsgewohnheiten oder ihren Gesundheitszustand offenbaren und sogar sensible Daten über die Fluggäste im Sinne von Art. 2 Buchst. e des geplanten Abkommens liefern.

Die Merkmale, die der im geplanten Abkommen vorgesehenen Regelung der Übermittlung und Verarbeitung von PNR-Daten inhärent sind, bestätigen, dass das Abkommen Eingriffe von realer Bedeutung zulässt.

Nach Art. 21 Abs. 1 des geplanten Abkommens sind die Daten nämlich vor dem planmäßigen Abflug des betreffenden Fluggasts zu übermitteln. Wie sich insbesondere aus den Stellungnahmen des Rates, der Kommission und des EDSB sowie aus Abschnitt 2.1 der Mitteilung KOM(2010) 492 ergibt, werden sie vor allem zur „Erkenntnisgewinnung“ verwendet.

Wie aus Abschnitt 2.2 dieser Mitteilung hervorgeht und wie insbesondere das Parlament, der Rat, die Kommission und der EDSB in ihren Antworten auf Fragen des Unionsgerichtshofs bestätigt haben, sind die übermittelten PNR-Daten nach dem geplanten Abkommen dazu bestimmt, vor der Ankunft des Flugzeugs in Kanada durch automatisierte Verfahren systematisch analysiert zu werden, die auf im Voraus festgelegten Modellen und Kriterien beruhen. Die Daten können auch automatisiert überprüft werden, indem sie mit anderen Datenbanken abgeglichen werden. Durch solche Verarbeitungen können weitere Informationen über das Privatleben der Fluggäste erlangt werden.

Diese Analysen können zudem bei Fluggästen, bei denen davon ausgegangen wird, dass von ihnen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehen könnte, Anlass zu weiteren Überprüfungen an der Grenze geben sowie auf deren Grundlage gegebenenfalls zu individuellen Entscheidungen mit Zwangswirkung führen. Die Analysen werden zudem durchgeführt, ohne dass konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von den betreffenden Personen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehen könnte. Schließlich ermöglicht es die Dauer der Speicherung der PNR-Daten, die nach Art. 16 Abs. 1 des geplanten Abkommens bis zu fünf Jahre betragen kann, während eines besonders langen Zeitraums über Informationen über das Privatleben der Fluggäste zu verfügen.

Zur Rechtfertigung der mit dem geplanten Abkommen verbundenen Eingriffe[↑]

Nach Art. 7 der Charta hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation. Darüber hinaus gewährt Art. 8 Abs. 1 der Charta jeder Person ausdrücklich das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten.

Das Recht auf Schutz personenbezogener Daten verlangt u. a., dass im Fall der Übermittlung personenbezogener Daten aus der Union in ein Drittland der Fortbestand des durch das Unionsrecht gewährten hohen Niveaus des Schutzes der Grundfreiheiten und Grundrechte gewährleistet wird. Auch wenn sich die Mittel zur Gewährleistung eines solchen Schutzniveaus von denen unterscheiden können, die in der Union herangezogen werden, um die Wahrung der Anforderungen, die sich aus dem Unionsrecht ergeben, zu gewährleisten, müssen sie sich gleichwohl in der Praxis als wirksam erweisen, um einen Schutz zu gewährleisten, der dem in der Union garantierten der Sache nach gleichwertig ist[17].

In diesem Kontext ist ferner festzustellen, dass es nach Abs. 4 der Präambel der Charta „angesichts der Weiterentwicklung der Gesellschaft, des sozialen Fortschritts und der wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen“ notwendig ist, „den Schutz der Grundrechte zu stärken“.

Die in den Art. 7 und 8 der Charta niedergelegten Rechte können jedoch keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen, sondern müssen im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Funktion gesehen werden[18].

Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass nach Art. 8 Abs. 2 der Charta personenbezogene Daten nur „für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage“ verarbeitet werden dürfen.

Überdies muss nach Art. 52 Abs. 1 der Charta jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten (Satz 1); unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen (Satz 2).

Hinzuzufügen ist, dass das Erfordernis, dass jede Einschränkung der Ausübung der Grundrechte gesetzlich vorgesehen sein muss, bedeutet, dass die gesetzliche Grundlage für den Eingriff in die Grundrechte den Umfang der Einschränkung der Ausübung des betreffenden Rechts selbst festlegen muss[19].

Zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist festzustellen, dass der Schutz des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens auf Unionsebene nach ständiger Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs verlangt, dass sich die Ausnahmen und Einschränkungen in Bezug auf den Schutz personenbezogener Daten auf das absolut Notwendige beschränken[20].

Um diesem Erfordernis zu genügen, muss die betreffende Regelung, die den Eingriff enthält, klare und präzise Regeln für die Tragweite und die Anwendung der betreffenden Maßnahme vorsehen und Mindesterfordernisse aufstellen, so dass die Personen, deren Daten übermittelt wurden, über ausreichende Garantien verfügen, die einen wirksamen Schutz ihrer personenbezogenen Daten vor Missbrauchsrisiken ermöglichen. Sie muss insbesondere angeben, unter welchen Umständen und unter welchen Voraussetzungen eine Maßnahme, die die Verarbeitung solcher Daten vorsieht, getroffen werden darf, damit gewährleistet ist, dass der Eingriff auf das absolut Notwendige beschränkt wird. Das Erfordernis, über solche Garantien zu verfügen, ist umso bedeutsamer, wenn die personenbezogenen Daten automatisch verarbeitet werden. Dies gilt insbesondere, wenn es um den Schutz der besonderen Kategorie sensibler personenbezogener Daten geht[21].

Zur Grundlage der im geplanten Abkommen vorgesehenen Verarbeitungen von PNR-Daten[↑]

Zu der Frage, ob die Übermittlung der PNR-Daten an Kanada und ihre spätere Verarbeitung mit „Einwilligung“ der Fluggäste erfolgen oder auf „einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage“ im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Charta beruhen, ist festzustellen, dass mit solchen Verarbeitungen der PNR-Daten ein anderer Zweck verfolgt wird als der, für den die Daten von den Fluggesellschaften erhoben wurden.

Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Einwilligung der Fluggäste zur Erhebung der PNR-Daten durch die Fluggesellschaften zum Zweck der Reservierung auf solche Verarbeitungen erstreckt. Die Verarbeitungen erfordern daher als solche eine spezielle Einwilligung der Fluggäste oder eine sonstige gesetzlich geregelte legitime Grundlage.

Da keine Bestimmung des geplanten Abkommens die Übermittlung der PNR-Daten an Kanada und ihre anschließende Verarbeitung von der Einwilligung der betroffenen Fluggäste abhängig macht, ist zu prüfen, ob das Abkommen eine sonstige gesetzlich geregelte legitime Grundlage im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Charta darstellt.

Insoweit kann das Argument des Parlaments, das geplante Abkommen falle, da es keinen „Gesetzgebungsakt“ darstelle, nicht unter den Begriff des Gesetzes im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Charta und somit von Art. 52 Abs. 1 der Charta, jedenfalls keinen Erfolg haben.

Abs. 6 AEUV spiegelt nämlich auf internationaler Ebene die Verteilung der Befugnisse der Organe bei interner Rechtsetzung wider und stellt eine Symmetrie zwischen dem internen Rechtsetzungsverfahren bei Unionsmaßnahmen und dem Verfahren zum Erlass internationaler Übereinkünfte her, um zu gewährleisten, dass das Parlament und der Rat im Zusammenhang mit einem bestimmten Bereich unter Wahrung des durch die Verträge vorgesehenen institutionellen Gleichgewichts die gleichen Befugnisse haben[22]. Deshalb ist für den Abschluss von internationalen Übereinkünften, die Bereiche betreffen, in denen im internen Rechtsetzungsverfahren das in Art. 294 AEUV vorgesehene ordentliche Gesetzgebungsverfahren Anwendung findet, nach Art. 218 Abs. 6 Buchst. a Ziff. v AEUV die Zustimmung des Parlaments erforderlich. Eine solche Übereinkunft kann daher als das Äquivalent auf internationaler Ebene eines Gesetzgebungsakts im internen Rechtsetzungsverfahren angesehen werden. Im Übrigen ist im vorliegenden Verfahren von keiner Seite behauptet worden, dass das geplante Abkommen die Voraussetzungen der Zugänglichkeit und der Vorhersehbarkeit, die vorliegen müssen, damit die Eingriffe, die mit ihm verbunden sind, als im Sinne von Art. 8 Abs. 2 und Art. 52 Abs. 1 der Charta gesetzlich vorgesehen eingestuft werden können, nicht erfüllen könnte.

Somit ist festzustellen, dass die Übermittlung der PNR-Daten an Kanada auf einer „sonstigen gesetzlich geregelten … Grundlage“ im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Charta beruht. Die Frage, ob diese Grundlage legitim im Sinne dieser Bestimmung ist, überschneidet sich im vorliegenden Fall mit der in den Rn. 148 ff. des vorliegenden Gutachtens untersuchten Frage, ob das mit dem geplanten Abkommen verfolgte Ziel dem Gemeinwohl dient.

Zur dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung und zur Achtung des Wesensgehalts der betreffenden Grundrechte[↑]

Mit dem geplanten Abkommen wird u. a. das Ziel verfolgt, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, indem PNR-Daten an Kanada übermittelt und im Rahmen der Bekämpfung terroristischer Straftaten und grenzübergreifender schwerer Kriminalität verwendet werden.

Nach der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs stellt dieses Ziel eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung der Union dar, die auch schwere Eingriffe in die in den Art. 7 und 8 der Charta niedergelegten Grundrechte rechtfertigen kann. Darüber hinaus trägt der Schutz der öffentlichen Sicherheit auch zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer bei. Insoweit ist festzustellen, dass nach Art. 6 der Charta jeder Mensch das Recht nicht nur auf Freiheit, sondern auch auf Sicherheit hat[23].

Zum Wesensgehalt des in Art. 7 der Charta niedergelegten Grundrechts auf Achtung des Privatlebens ist festzustellen, dass die PNR-Daten zwar unter Umständen sehr genaue Informationen über das Privatleben einer Person liefern können, doch ist die Art dieser Informationen auf bestimmte Aspekte dieses Privatlebens beschränkt, die insbesondere Flugreisen zwischen Kanada und der Union betreffen. Zum Wesensgehalt des in Art. 8 der Charta niedergelegten Rechts auf Schutz personenbezogener Daten ist festzustellen, dass die Zwecke der Verarbeitung der PNR-Daten in Art. 3 des geplanten Abkommens begrenzt werden und dass sein Art. 9 Regeln enthält, mit denen u. a. die Sicherheit, die Vertraulichkeit und die Integrität dieser Daten gewährleistet und die Daten vor unbefugten Zugriffen und unrechtmäßiger Verarbeitung geschützt werden sollen.

Unter diesen Umständen haben die Eingriffe, die mit dem geplanten Abkommen verbunden sind, eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung der Union und sind nicht geeignet, den Wesensgehalt der in den Art. 7 und 8 der Charta niedergelegten Grundrechte zu beeinträchtigen.

Zur Eignung der im geplanten Abkommen vorgesehenen Verarbeitungen von PNR-Daten für die Verwirklichung des Ziels der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit[↑]

Zu der Frage, ob die Übermittlung der PNR-Daten an Kanada und ihre anschließende Verarbeitung in diesem Drittstaat geeignet sind, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, ergibt sich aus Abschnitt 2.2 der Mitteilung KOM(2010) 492, dass aufgrund der Bewertung der von den Fluggästen ausgehenden Risiken durch die Analyse dieser Daten vor Ankunft der Fluggäste „die Sicherheits- und Grenzkontrollen … wesentlich erleichtert und beschleunigt [werden]“. Außerdem hat die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen darauf hingewiesen, dass die Verarbeitung der PNR-Daten nach den Angaben der CBSA u. a. dazu geführt habe, dass von den 28 Mio. Fluggästen, die von April 2014 bis März 2015 aus der Union nach Kanada gereist seien, 178 Personen hätten festgenommen werden können.

Unter diesen Umständen kann davon ausgegangen werden, dass die Übermittlung der PNR-Daten an Kanada und ihre anschließende Verarbeitung geeignet sind, die Verwirklichung des mit dem geplanten Abkommen verfolgten Ziels des Schutzes der öffentlichen Sicherheit zu gewährleisten.

Zur Erforderlichkeit der mit dem geplanten Abkommen verbundenen Eingriffe[↑]

Hinsichtlich der Erforderlichkeit der mit dem geplanten Abkommen verbundenen Eingriffe ist nach der in den Rn. 140 und 141 angeführten Rechtsprechung zu prüfen, ob sich die Eingriffe auf das absolut Notwendige beschränken und, in diesem Rahmen, ob das Abkommen klare und präzise Regeln für die Tragweite und die Anwendung der darin vorgesehenen Maßnahmen enthält.

Zur hinreichenden Bestimmtheit des geplanten Abkommens hinsichtlich der zu übermittelnden PNR-Daten[↑]

Das geplante Abkommen müsste hinsichtlich der Daten, auf die es sich bezieht, klar und präzise definieren, welche PNR-Daten die Fluggesellschaften in Anwendung des Abkommens an Kanada übermitteln müssen.

Die 19 Rubriken von PNR-Daten im Anhang des geplanten Abkommens entsprechen zwar nach der Stellungnahme der Kommission dem Anhang I der Leitlinien der International Civil Aviation Organization (ICAO) über PNR-Daten. Die zu übermittelnden PNR-Daten werden in den Rubriken 5 („Verfügbare Vielflieger- und Bonus-Daten [Gratisflugscheine, Upgrades usw.]“) und 7 („Sämtliche verfügbaren Kontaktangaben, einschließlich Informationen zur Identifizierung des Dateneingebers“) aber nicht hinreichend klar und präzise definiert.

Bei Rubrik 5 ist der Umfang der zu übermittelnden Daten wegen der Verwendung des Ausdrucks „usw.“ nicht hinreichend bestimmt. Außerdem ist aus dem Wortlaut dieser Rubrik nicht ersichtlich, ob mit ihr Informationen allein über die Teilnahme der Fluggäste an Bonusprogrammen gemeint sind oder sämtliche Informationen über die Flüge und Buchungen, die im Rahmen solcher Programme durchgeführt werden.

Der Umfang der zu übermittelnden Daten ist auch in Rubrik 7 nicht hinreichend bestimmt, in der der Ausdruck „[s]ämtliche verfügbaren Kontaktangaben“ verwendet wird. Insbesondere wird nicht präzisiert, welche Art von Kontaktangaben gemeint sind und ob diese auch, wie sich aus der schriftlichen Antwort der Kommission auf die Fragen des Unionsgerichtshofs ableiten lässt, Informationen über Dritte umfassen, die die Buchung des Fluges für den Fluggast vorgenommen haben, über die ein Fluggast erreicht werden kann oder die im Notfall zu verständigen sind.

Rubrik 8 betrifft „[s]ämtliche verfügbaren Zahlungs‑/Abrechnungsinformationen (ohne weitere Transaktionsdetails für eine Kreditkarte oder ein Konto, die nicht mit der die Reise betreffenden Transaktion verknüpft sind)“. Sie könnte zwar wegen der Verwendung des Ausdrucks „[s]ämtliche verfügbaren … [I]nformationen“ besonders weit erscheinen. Wie sich aus der Antwort der Kommission auf die Fragen des Unionsgerichtshofs ergibt, ist aber davon auszugehen, dass sie lediglich Informationen über die Modalitäten der Zahlung und die Abrechnung des Flugtickets betrifft, nicht aber andere Informationen, die keinen direkten Bezug zum Flug aufweisen. Bei dieser Auslegung genügt die Rubrik den Anforderungen an Klarheit und Präzision.

Rubrik 17 betrifft „[a]llgemeine Eintragungen einschließlich OSI- (Other Supplementary Information), SSI- (Special Service Information) und SSR-Informationen (Special Service Request)“. Nach den Erläuterungen, die insbesondere die Kommission gegeben hat, handelt es sich bei dieser Rubrik um eine sogenannte „free text“-Rubrik, mit der über die im Anhang des geplanten Abkommens angeführten Informationen hinaus „weitere Informationen“ einbezogen werden sollen. Eine solche Rubrik enthält keine Angaben über Art und Umfang der zu übermittelnden Informationen und könnte selbst Informationen umfassen, die keinerlei Bezug zum Zweck der Übermittlung der PNR-Daten haben. Da die in dieser Rubrik genannten Informationen lediglich beispielhaft genannt werden, wie aus der Verwendung des Wortes „einschließlich“ hervorgeht, begrenzt sie Art und Umfang der Informationen, die von ihr erfasst werden können, nicht. Rubrik 17 ist mithin nicht hinreichend klar und präzise abgegrenzt.

Schließlich betrifft Rubrik 18 „[e]twaige für Buchungszwecke erhobene Daten zur Advance Passenger Information (API)“. Nach den Erläuterungen, die der Rat und die Kommission gegeben haben, entsprechen diese Informationen den Angaben gemäß Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/82, d. h. Nummer und Art des mitgeführten Reisedokuments, Staatsangehörigkeit, vollständiger Name, Geburtsdatum, Grenzübergangsstelle für die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, Beförderungs-Codenummer, Abreise- und Ankunftszeit, Gesamtzahl der beförderten Personen und ursprünglicher Abreiseort. Soweit die Rubrik dahin ausgelegt wird, dass sie sich lediglich auf die ausdrücklich in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/82 genannten Angaben erstreckt, kann davon ausgegangen werden, dass sie die Anforderungen an Klarheit und Präzision erfüllt.

Die Vorschriften von Art. 4 Abs. 3 des geplanten Abkommens, die die Verpflichtung Kanadas vorsehen, alle von den Fluggesellschaften übermittelten PNR-Daten, die nicht in der Liste im Anhang des Abkommens aufgeführt sind, zu löschen, kann die mangelnde Bestimmtheit der Rubriken 5, 7 und 17 des Anhangs nicht ausgleichen. Da die Liste als solche die zu übermittelnden PNR-Daten nicht hinreichend klar und präzise bestimmt, sind diese Bestimmungen nämlich nicht geeignet, die Unsicherheiten hinsichtlich der zu übermittelnden PNR-Daten zu beseitigen.

Somit ist hinsichtlich der an Kanada zu übermittelnden PNR-Daten festzustellen, dass die Rubriken 5, 7 und 17 des Anhangs des geplanten Abkommens den Umfang des Eingriffs in die in den Art. 7 und 8 der Charta niedergelegten Grundrechte nicht hinreichend klar und präzise regeln.

Zu den sensiblen Daten[↑]

Zur Übermittlung sensibler Daten im Sinne von Art. 2 Buchst. e des geplanten Abkommens ist festzustellen, dass sensible Daten dort definiert werden als Informationen, aus denen „die rassische oder ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit“ hervorgehen, sowie Informationen über „Gesundheit oder Sexualleben einer Person“. Ausdrücklich werden solche Daten in keiner der 19 Rubriken im Anhang des Abkommens erwähnt. Wie insbesondere die Kommission in ihrer Antwort auf die Fragen des Unionsgerichtshofs bestätigt hat, könnten sie aber unter Rubrik 17 fallen. Der Umstand, dass die Art. 8 und 16 des geplanten Abkommens spezielle Regeln für die Verwendung und Speicherung sensibler Daten vorsehen, bedeutet zudem zwangsläufig, dass die Parteien des Abkommens die Möglichkeit der Übermittlung solcher Daten an Kanada zugelassen haben.

Insoweit ist festzustellen, dass jede Maßnahme, die auf dem Postulat beruht, dass eines oder mehrere der in Art. 2 Buchst. e des geplanten Abkommens genannten Merkmale als solche, unabhängig vom konkreten Verhalten des betreffenden Fluggasts, für das in der Bekämpfung von Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität bestehende Ziel der Verarbeitung von PNR-Daten erheblich sein könnte, gegen die in den Art. 7 und 8 der Charta in Verbindung mit deren Art. 21 niedergelegten Rechte verstößt. In Anbetracht des Risikos einer gegen Art. 21 der Charta verstoßenden Verarbeitung von Daten bedürfte die Übermittlung sensibler Daten an Kanada einer präzisen und besonders fundierten, auf andere Gründe als den Schutz der öffentlichen Sicherheit vor Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität gestützten Rechtfertigung. Im vorliegenden Fall fehlt es aber an einer solchen Rechtfertigung.

Überdies hat der Unionsgesetzgeber die Verarbeitung sensibler Daten in Art. 6 Abs. 4, Art. 7 Abs. 6 und Art. 13 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2016/681 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.04.2016 über die Verwendung von Fluggastdatensätzen (PNR-Daten) zur Verhütung, Aufdeckung, Ermittlung und Verfolgung von terroristischen Straftaten und schwerer Kriminalität[24] ausgeschlossen.

In Anbetracht der Ausführungen in den beiden vorstehenden Randnummern ist festzustellen, dass Art. 7, Art. 8, Art. 21 und Art. 52 Abs. 1 der Charta sowohl der Übermittlung sensibler Daten an Kanada als auch der von der Union mit diesem Drittstaat ausgehandelten Regelung der Bedingungen für die Verwendung und Speicherung solcher Daten durch die Behörden dieses Drittstaats entgegenstehen.

Zur automatisierten Verarbeitung von PNR-Daten[↑]

Die an Kanada übermittelten PNR-Daten sollen hauptsächlich automatisierten Analysen unterzogen werden, die auf im Voraus festgelegten Modellen und Kriterien und dem Abgleich mit verschiedenen Datenbanken beruhen.

Die Bewertung der Gefahren, die von den Fluggästen für die öffentliche Sicherheit ausgehen, erfolgt mittels automatisierter Analysen der PNR-Daten vor der Ankunft der Fluggäste in Kanada. Da diese Analysen anhand von nicht überprüften personenbezogenen Daten durchgeführt werden und auf im Voraus festgelegten Modellen und Kriterien beruhen, sind sie zwangsläufig mit einer gewissen Fehlerquote behaftet, wie insbesondere die französische Regierung und die Kommission in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben.

Nach den Angaben in der Stellungnahme des EDSB zum Entwurf eines Vorschlags für einen Rahmenbeschluss des Rates über die Verwendung von Fluggastdatensätzen (PNR-Daten) zu Strafverfolgungszwecken[25], auf die der EDSB in seiner Antwort auf die Fragen des Unionsgerichtshofs Bezug genommen hat, ist diese Fehlerquote offenbar erheblich.

Zwar sieht Art. 15 des geplanten Abkommens hinsichtlich der Folgen einer automatisierten Verarbeitung von PNR-Daten vor, dass Kanada „Entscheidungen, die einen Fluggast erheblich beeinträchtigen, nicht allein auf der Grundlage der automatisierten Verarbeitung von PNR-Daten“ trifft. Außerdem gelten für eine derartige Verarbeitung Art. 3 des Abkommens, der die Zwecke jeglicher Datenverarbeitung durch die zuständige kanadische Behörde begrenzt, und Art. 7 des Abkommens, der eine Nichtdiskriminierungsklausel enthält.

Der Umfang des Eingriffs der automatisierten Analysen der PNR-Daten in die in den Art. 7 und 8 der Charta niedergelegten Rechte hängt aber im Wesentlichen von den im Voraus festgelegten Modellen und Kriterien sowie den Datenbanken ab, auf denen die automatisierte Verarbeitung der Daten beruht. In Anbetracht der Erwägungen in den Rn. 169 und 170 müssten die im Voraus festgelegten Modelle und Kriterien deshalb spezifisch und zuverlässig sein, so dass sie die Identifizierung von Personen ermöglichen, gegen die ein begründeter Verdacht der Beteiligung an terroristischen Straftaten oder grenzübergreifender schwerer Kriminalität bestehen könnte, und dürften nicht diskriminierend sein. Ferner müssten die Datenbanken, mit denen die PNR-Daten abgeglichen werden, zuverlässig und aktuell sein und von Kanada in Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität betrieben werden.

Da die automatisierten Analysen der PNR-Daten zwangsläufig eine gewisse Fehlerquote aufweisen, muss jedes positive Ergebnis, das durch eine automatisierte Verarbeitung von PNR-Daten erlangt wurde, nach Art. 15 des geplanten Abkommens individuell mit nicht automatisierten Mitteln überprüft werden, bevor eine individuelle Maßnahme mit nachteiligen Auswirkungen auf die betreffenden Fluggäste getroffen wird. Eine solche Maßnahme darf nach Art. 15 nämlich nicht allein auf der Grundlage der automatisierten Verarbeitung von PNR-Daten getroffen werden.

Um in der Praxis zu gewährleisten, dass die im Voraus festgelegten Modelle und Kriterien, deren Anwendung und die verwendeten Datenbanken nicht diskriminierend sind und sich auf das absolut Notwendige beschränken, muss die Zuverlässigkeit und Aktualität dieser Modelle und Kriterien sowie der verwendeten Datenbanken, unter Berücksichtigung statistischer Daten und der Ergebnisse der internationalen Forschung, Gegenstand der in Art. 26 Abs. 2 des geplanten Abkommens vorgesehenen gemeinsamen Überprüfung seiner Durchführung sein.

Zu den Zwecken der Verarbeitung von PNR-Daten – Vorbeugung, Aufdeckung und strafrechtliche Verfolgung von terroristischen Straftaten oder grenzübergreifender schwerer Kriminalität[↑]

Nach Art. 3 Abs. 1 des geplanten Abkommens dürfen PNR-Daten von der zuständigen kanadischen Behörde nur zum Zweck der Verhinderung, Aufdeckung, Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung von terroristischen Straftaten oder grenzübergreifender schwerer Kriminalität verarbeitet werden.

Was den Begriff „terroristische Straftat“ angeht, definiert Art. 3 Abs. 2 des geplanten Abkommens klar und präzise sowohl die Handlungen, die unter diesen Begriff fallen, als auch die Personen, Gruppen und Organisationen, die als „terroristische Einheit“ einzustufen sind.

Desgleichen ist zum Begriff „grenzübergreifende schwere Kriminalität“ festzustellen, dass Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 des geplanten Abkommens, indem er verlangt, dass diese mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens vier Jahren oder mit einer schwereren Strafe geahndet wird, klar und präzise den Schweregrad der betreffenden Straftaten definiert. Auch was die Art dieser Straftaten angeht, ist die Vorschrift durch die Bezugnahme auf die Straftaten nach kanadischem Recht hinreichend präzise. Schließlich sind in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 des Abkommens klar und präzise die verschiedenen Fälle aufgeführt, in denen eine Straftat als grenzübergreifend gilt.

Somit ist festzustellen, dass Art. 3 Abs. 1 bis 3 des geplanten Abkommens klare und präzise Regeln enthält, die sich auf das absolut Notwendige beschränken.

Zu den Zwecken der Verarbeitung von PNR-Daten – Weitere Zwecke[↑]

Nach Art. 3 Abs. 4 des geplanten Abkommens kann die zuständige kanadische Behörde in Ausnahmefällen PNR-Daten zum Schutz lebenswichtiger Interessen von Einzelpersonen verarbeiten, z. B. wenn Gefahr für Leib und Leben besteht oder die Gesundheit der Allgemeinheit erheblich gefährdet ist, vor allem im Sinne international anerkannter Normen. Nach Art. 3 Abs. 5 Buchst. a und b des Abkommens kann Kanada außerdem „im Einzelfall“ PNR-Daten verarbeiten, damit „die Aufsicht oder Rechenschaftspflicht der öffentlichen Verwaltung gewährleistet ist“ oder „einer Vorladung, einem erlassenen Haftbefehl oder einer gerichtlichen Verfügung Folge geleistet werden kann“.

Da Art. 3 Abs. 4 des geplanten Abkommens die Fälle, in denen die zuständige kanadische Behörde die gemäß dem Abkommen erhobenen PNR-Daten zu anderen Zwecken verwenden darf als zu der mit ihm angestrebten Bekämpfung von Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität, auf den Schutz der lebenswichtigen Interessen von Personen beschränkt, definiert er klar und präzise die Fälle, in denen eine solche Verwendung zulässig ist. Im Übrigen sieht die Vorschrift vor, dass die zuständige kanadische Behörde hierzu nur in Ausnahmefällen ermächtigt ist. Ihre Regeln beschränken sich mithin auf das absolut Notwendige.

Hingegen ist der Wortlaut der Fälle, in denen Kanada PNR-Daten nach Art. 3 Abs. 5 Buchst. a und b des geplanten Abkommens verarbeiten darf, zu unbestimmt und zu allgemein, um den Anforderungen an Klarheit und Präzision zu genügen. Die in dieser Vorschrift enthaltenen Regeln beschränken sich daher nicht auf das zur Erreichung des mit dem Abkommen verfolgten Ziels absolut Notwendige.

Zu den kanadischen Behörden, auf die sich das geplante Abkommen bezieht[↑]

Nach Art. 2 Buchst. d des geplanten Abkommens ist die zuständige kanadische Behörde für den Erhalt und die Verarbeitung von PNR-Daten im Rahmen des Abkommens verantwortlich. Nach dessen Art. 5 wird davon ausgegangen, dass diese Behörde bei der Verarbeitung und Verwendung von PNR-Daten einen angemessenen Schutz im Sinne des Unionsrechts gewährleistet. Wie sich aus Abs. 15 der Präambel des Abkommens ergibt, verpflichtet sich Kanada ferner, sicherzustellen, dass diese Behörde die im Abkommen enthaltenen Garantien für den Schutz der Privatsphäre und den Schutz personenbezogener Daten einhält.

Die zuständige kanadische Behörde wird im geplanten Abkommen zwar nicht bezeichnet. Nach Art. 30 Abs. 2 Buchst. a des Abkommens ist Kanada aber verpflichtet, sie der Kommission vor Inkrafttreten des Abkommens mitzuteilen. Das Abkommen ist somit hinsichtlich der Identität der zuständigen kanadischen Behörde hinreichend klar und präzise.

In Art. 18 Abs. 1 des geplanten Abkommens ist zwar nicht bestimmt, an welche „anderen [Behörden] in Kanada“ die zuständige kanadische Behörde die PNR-Daten unter den dort genannten Voraussetzungen weitergeben darf. Aus Art. 18 Abs. 1 Buchst. a, c und e des geplanten Abkommens geht aber eindeutig hervor, dass die PNR-Daten nur an Behörden weitergegeben werden dürfen, „deren Aufgaben einen direkten Bezug zum Anwendungsbereich des Artikels 3 aufweisen“, sofern die Weitergabe „zu den in Artikel 3 genannten Zwecken notwendig [ist]“ und die Behörde „einen den in diesem Abkommen beschriebenen Garantien entsprechenden Schutz [gewährleistet]“.

Soweit in mehreren Bestimmungen des geplanten Abkommens (Art. 3 Abs. 5, Art. 6 Abs. 1 und 2, Art. 8 Abs. 3 bis 5, Art. 12 Abs. 3, Art. 16 und Art. 17) als für die Verarbeitung der in den betreffenden Bestimmungen genannten PNR-Daten zuständige Stelle „Kanada“ genannt ist, ist das Abkommen dahin auszulegen, dass entweder die zuständige kanadische Behörde oder die in Art. 18 genannten Behörden gemeint sind. Bei dieser Auslegung entsprechen Art. 3 Abs. 5, Art. 6 Abs. 1 und 2, Art. 8 Abs. 3 bis 5, Art. 12 Abs. 3, Art. 16 und Art. 17 des geplanten Abkommens den Anforderungen an Klarheit und Präzision.

Zu den betroffenen Fluggästen[↑]

Das geplante Abkommen gilt für die PNR-Daten sämtlicher Fluggäste, die aus der Union nach Kanada reisen. Die Daten werden an Kanada unabhängig davon übermittelt, ob objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von den Fluggästen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Kanada ausgeht.

Die PNR-Daten sind vor allem dazu bestimmt, automatisiert verarbeitet zu werden. Wie mehrere Beteiligte geltend gemacht haben, soll mit der automatisierten Verarbeitung ermittelt werden, ob möglicherweise eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit von Personen ausgeht, die den zuständigen Stellen zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt sind und die wegen dieser Gefahr einer eingehenden Überprüfung unterzogen werden könnten. Die automatisierte Verarbeitung der PNR-Daten vor der Ankunft der Fluggäste in Kanada erleichtert und beschleunigt dabei die Sicherheitskontrollen, insbesondere an den Grenzen. Der Ausschluss bestimmter Kategorien von Personen oder bestimmter Herkunftsländer könnte dem Ziel der automatisierten Verarbeitung der PNR-Daten zuwiderlaufen, das darin besteht, unter sämtlichen Fluggästen mittels einer Überprüfung dieser Daten die Personen zu ermitteln, von denen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehen kann. Außerdem könnte diese Überprüfung umgangen werden.

Im Übrigen haben alle Fluggäste nach Art. 13 des Abkommens von Chicago, auf den insbesondere der Rat und die Kommission in ihren Antworten auf die Fragen des Unionsgerichtshofs Bezug genommen haben, beim Ein- und Ausflug sowie während des Aufenthalts im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats die Gesetze und Vorschriften dieses Staates über den Ein- und Ausflug von Fluggästen zu befolgen. Sämtliche Fluggäste, die nach Kanada einreisen oder aus Kanada ausreisen möchten, unterliegen nach diesem Artikel daher den Grenzkontrollen und sind verpflichtet, die Voraussetzungen des geltenden kanadischen Rechts für die Ein- oder Ausreise zu erfüllen. Zudem gehört die Identifizierung von Fluggästen, von denen ein Risiko für die öffentliche Sicherheit ausgehen kann, anhand der PNR-Daten zur Grenzkontrolle. Sofern Fluggäste, die nach Kanada einreisen und sich dort aufhalten möchten, Gegenstand dieser Kontrollen sind, unterliegen sie deshalb schon wegen der Art dieser Maßnahme der Überprüfung ihrer PNR-Daten.

Unter diesen Umständen geht das geplante Abkommen dadurch, dass es die Übermittlung der PNR-Daten sämtlicher Fluggäste an Kanada ermöglicht, nicht über das hinaus, was absolut notwendig ist.

Zur Speicherung und Verwendung der PNR-Daten[↑]

Um zu gewährleisten, dass die Speicherung der übermittelten PNR-Daten, der Zugang zu ihnen durch die im geplanten Abkommen vorgesehenen kanadischen Behörden und die Verwendung der Daten durch diese Behörden auf das absolut Notwendige beschränkt wird, müsste das geplante Abkommen nach der angeführten ständigen Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs klare und präzise Regeln vorsehen, aus denen hervorgeht, unter welchen Umständen und unter welchen Voraussetzungen diese Behörden die Daten speichern, Zugang zu ihnen haben und sie verwenden dürfen.

In Bezug auf die Speicherung personenbezogener Daten ist festzustellen, dass die fragliche Regelung u. a. stets objektiven Kriterien genügen muss, die einen Zusammenhang zwischen den zu speichernden personenbezogenen Daten und dem verfolgten Ziel herstellen[26].

Zur Verwendung rechtmäßig gespeicherter personenbezogener Daten durch eine Behörde hat der Unionsgerichtshof entschieden, dass sich eine Unionsregelung nicht darauf beschränken darf, dass der Zugang zu solchen Daten einem der in der Regelung genannten Zwecke zu entsprechen hat, sondern auch die materiell- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Verwendung der Daten festlegen muss[27].

Im vorliegenden Fall begrenzt das geplante Abkommen in Art. 3 die Zwecke der Verwendung der PNR-Daten durch die zuständige kanadische Behörde, sieht in Art. 7 eine Nichtdiskriminierungsklausel vor und enthält in Art. 15 eine Vorschrift über Entscheidungen Kanadas auf der Grundlage einer automatisierten Verarbeitung der PNR-Daten.

Außerdem sieht Art. 16 des geplanten Abkommens vor, dass die PNR-Daten von Kanada fünf Jahre nach Erhalt gespeichert werden dürfen (Abs. 1) und teilweise 30 Tage bzw. zwei Jahre nach Erhalt unkenntlich zu machen sind (Abs. 3). Da diese Vorschriften nicht anhand der betroffenen Fluggäste differenzieren, ermöglichen sie die Speicherung der PNR-Daten sämtlicher Fluggäste.

Schließlich darf nach Art. 16 Abs. 4 des geplanten Abkommens die Unkenntlichmachung aufgehoben werden, wenn Untersuchungen nach Maßgabe von Art. 3 des Abkommens durchgeführt werden müssen, wobei die Aufhebung der Unkenntlichmachung durch eine begrenzte Zahl eigens hierzu befugter Bediensteter oder mit vorheriger Genehmigung des Leiters der zuständigen kanadischen Behörde oder eines vom Leiter eigens hiermit beauftragten hohen Beamten erfolgt.

Zur Speicherung und Verwendung der PNR-Daten vor der Ankunft der Fluggäste, während ihres Aufenthalts in Kanada und bei ihrer Ausreise[↑]

Nach dem geplanten Abkommen ist es somit zulässig, die PNR-Daten sämtlicher Fluggäste während der gesamten Dauer ihrer Speicherung zu den in Art. 3 des Abkommens genannten Zwecken zu verwenden.

In Bezug auf die Speicherung der PNR-Daten und ihre Verwendung bis zur Ausreise der Fluggäste aus Kanada ist festzustellen, dass die PNR-Daten vor allem die Sicherheits- und Grenzkontrollen erleichtern. Ihre Speicherung und ihre Verwendung zu diesem Zweck können schon aufgrund ihrer Art nicht auf einen bestimmten Kreis von Fluggästen begrenzt werden oder Gegenstand einer vorherigen Genehmigung eines Gerichts oder einer unabhängigen Verwaltungsstelle sein. Somit ist im Einklang mit den in den Rn. 186 bis 188 angestellten Erwägungen festzustellen, dass, solange sich die Fluggäste in Kanada befinden oder im Begriff sind, aus diesem Drittland auszureisen, der erforderliche Zusammenhang zwischen den Daten und dem mit dem Abkommen verfolgten Ziel besteht, so dass das Abkommen nicht über das hinausgeht, was absolut notwendig ist, nur weil es die systematische Speicherung und Verwendung der PNR-Daten sämtlicher Fluggäste ermöglicht.

Desgleichen hängt die systematische Verwendung der PNR-Daten zu dem Zweck, die Zuverlässigkeit und Aktualität der im Voraus festgelegten Modelle und Kriterien, auf denen die automatisierten Verarbeitungen der Daten beruhen, zu überprüfen oder neue Modelle und Kriterien für diese Verarbeitungen festzulegen, unmittelbar mit der Durchführung der Sicherheits- und Grenzkontrollen zusammen, so dass davon auszugehen ist, dass auch sie nicht über das hinausgeht, was absolut notwendig ist.

Außerdem können sich während des Aufenthalts der Fluggäste in Kanada unabhängig vom Ergebnis der vor ihrer Ankunft durchgeführten automatisierten Analyse der PNR-Daten Situationen ergeben, in denen die zuständige kanadische Behörde über während des Aufenthalts zusammengetragene Hinweise darauf verfügt, dass sich die Verwendung der Daten als erforderlich erweisen könnte, um Terrorismus und grenzübergreifende schwere Kriminalität zu bekämpfen.

Zur Verwendung der PNR-Daten in den in der vorstehenden Randnummer genannten Fällen ist jedoch festzustellen, dass den Fluggästen nach der Überprüfung ihrer PNR-Daten die Einreise in das Hoheitsgebiet dieses Drittstaats gestattet wurde, so dass eine Verwendung der Daten während ihres Aufenthalts in Kanada auf neue Umstände gestützt werden muss, die eine solche Verwendung rechtfertigen. Nach der in den Rn. 141 und 192 angeführten Rechtsprechung erfordert eine solche Verwendung deshalb Regeln, aus denen hervorgeht, unter welchen materiell- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen die Verwendung der Daten erfolgen darf, um diese insbesondere vor Missbrauchsrisiken zu schützen. Solche Regeln müssen sich auf objektive Kriterien stützen, die definieren, unter welchen Umständen und unter welchen Voraussetzungen die im geplanten Abkommen genannten kanadischen Behörden die Daten verwenden dürfen.

Gibt es objektive Anhaltspunkte dafür, dass die PNR-Daten eines oder mehrerer Fluggäste einen wirksamen Beitrag zur Bekämpfung terroristischer Straftaten oder grenzübergreifender schwerer Kriminalität leisten könnten, scheint die Verwendung der Daten nicht über das hinauszugehen, was absolut notwendig ist[28].

Damit in der Praxis die vollständige Einhaltung der in den beiden vorstehenden Randnummern genannten Voraussetzungen gewährleistet ist, ist es unabdingbar, dass die Verwendung der gespeicherten PNR-Daten während des Aufenthalts der Fluggäste in Kanada grundsätzlich – außer in hinreichend begründeten Eilfällen – einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle unterworfen wird und dass deren Entscheidung im Anschluss an einen mit Gründen versehenen Antrag ergeht, der von den zuständigen Behörden insbesondere im Rahmen von Verfahren zur Verhütung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten gestellt wird[29].

Da das geplante Abkommen die in den beiden vorstehenden Randnummern genannten Anforderungen nicht erfüllt, gewährleistet es nicht, dass sich die Verwendung der PNR-Daten der Fluggäste während ihres Aufenthalts in Kanada durch die im Abkommen genannten kanadischen Behörden auf das absolut Notwendige beschränkt.

Zur Speicherung und Verwendung der PNR-Daten nach der Ausreise der Fluggäste aus Kanada[↑]

Fluggäste, die aus Kanada ausgereist sind, sind in der Regel bei ihrer Ein- und Ausreise kontrolliert worden. Ebenso sind ihre PNR-Daten vor ihrer Ankunft in Kanada und gegebenenfalls während ihres Aufenthalts und bei ihrer Ausreise aus diesem Drittland überprüft worden. Daher ist davon auszugehen, dass von ihnen grundsätzlich keine Gefahr im Bereich des Terrorismus oder grenzübergreifender schwerer Kriminalität ausgeht, wenn weder diese Kontrollen und Überprüfungen noch irgendein anderer Umstand objektive Anhaltspunkte hierfür geliefert haben. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass von sämtlichen Fluggästen, die nach Kanada gereist sind, nach ihrer Ausreise aus diesem Land eine höhere Gefahr ausginge als von anderen Personen, die während der letzten fünf Jahre nicht in dieses Land gereist sind und in Bezug auf die Kanada deshalb über keine PNR-Daten verfügt.

Daher dürfte bei Fluggästen, bei denen eine solche Gefahr weder bei ihrer Ankunft in Kanada noch bis zu ihrer Ausreise aus diesem Drittland festgestellt wurde, nach ihrer Ausreise kein Zusammenhang, sei er auch mittelbarer Art, zwischen ihren PNR-Daten und dem mit dem geplanten Abkommen verfolgten Ziel bestehen, der die Speicherung der Daten rechtfertigen würde. Die Argumente, die insbesondere der Rat und die Kommission vor dem Unionsgerichtshof zur durchschnittlichen Bestandsdauer internationaler Netze schwerer Kriminalität sowie zu Dauer und Schwierigkeit der solche Netze betreffenden Ermittlungen vorgebracht haben, sind nicht geeignet, eine dauerhafte Speicherung der PNR-Daten sämtlicher Fluggäste nach ihrer Ausreise aus Kanada zum Zweck eines eventuellen Zugangs zu diesen Daten unabhängig von jedem Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität zu rechtfertigen[30].

Die dauerhafte Speicherung der PNR-Daten sämtlicher Fluggäste nach ihrer Ausreise aus Kanada beschränkt sich somit nicht auf das absolut Notwendige.

Gibt es in konkreten Fällen allerdings objektive Anhaltspunkte dafür, dass von bestimmten Fluggästen auch nach ihrer Ausreise aus Kanada eine Gefahr im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität ausgehen könnte, erscheint eine Speicherung ihrer PNR-Daten über ihren Aufenthalt in Kanada hinaus zulässig[31].

Die Verwendung der auf diese Weise gespeicherten PNR-Daten müsste sich nach der in den Rn.201 und 202 angeführten Rechtsprechung auf objektive Kriterien stützen, die definieren, unter welchen Umständen und unter welchen Voraussetzungen die im geplanten Abkommen genannten kanadischen Behörden Zugang zu diesen Daten haben und sie verwenden dürfen. Ferner müsste eine solche Verwendung – außer in hinreichend begründeten Eilfällen – einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle unterworfen werden, wobei die Entscheidung, mit der die Verwendung genehmigt wird, im Anschluss an einen mit Gründen versehenen Antrag ergeht, der von den zuständigen Behörden insbesondere im Rahmen von Verfahren zur Verhütung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten gestellt wird.

Zur Dauer der Speicherung von PNR-Daten der beschriebenen Fluggäste ist festzustellen, dass die in Art. 16 Abs. 1 des geplanten Abkommens vorgesehene allgemeine Dauer gegenüber der im Abkommen von 2006 enthaltenen Dauer um anderthalb Jahre verlängert wurde. Insoweit ist aber in Anbetracht der Ausführungen insbesondere des Rates und der Kommission festzustellen, dass die in Art. 16 Abs. 1 des Abkommens vorgesehene Dauer von fünf Jahren nicht über das hinausgeht, was zur Bekämpfung von Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität absolut notwendig ist.

Sofern zum einen Art. 9 Abs. 2 des geplanten Abkommens, der vorsieht, dass Kanada die PNR-Daten „in einer gesicherten physischen Umgebung auf[bewahrt], die durch Zugangskontrollen geschützt ist“, bedeutet, dass die Daten im kanadischen Hoheitsgebiet aufzubewahren sind, und zum anderen Art. 16 Abs. 6 des Abkommens, wonach Kanada die PNR-Daten nach Ablauf der Speicherfrist vernichtet, so zu verstehen ist, dass er eine unwiderrufliche Vernichtung der Daten vorschreibt, genügen diese Bestimmungen den Anforderungen an Klarheit und Präzision[32].

In Anbetracht der in den Rn.204 bis 206 und 208 angestellten Erwägungen wird durch das geplante Abkommen nicht gewährleistet, dass sich die Speicherung und die Verwendung der PNR-Daten durch die kanadischen Behörden nach der Ausreise der Fluggäste aus Kanada auf das absolut Notwendige beschränken.

Zur Weitergabe der PNR-Daten an Behörden[↑]

Die Art. 18 und 19 des geplanten Abkommens ermöglichen die Weitergabe von PNR-Daten durch die zuständige kanadische Behörde an andere kanadische Behörden und an Behörden in anderen Drittländern. Da diese Behörden durch eine solche Weitergabe faktisch Zugang zu den Daten erhalten und sie verwenden können, muss die Weitergabe die in den Rn.200 bis 202 und 208 genannten Voraussetzungen für die Verwendung von PNR-Daten erfüllen.

Was insbesondere die Weitergabe von PNR-Daten an Behörden anderer Drittländer angeht, ist zu ergänzen, dass Art.19 Abs. 1 Buchst. e des geplanten Abkommens der zuständigen kanadischen Behörde hinsichtlich der Beurteilung des in diesen Ländern garantierten Schutzniveaus einen Ermessensspielraum einräumt.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass eine Weitergabe personenbezogener Daten aus der Union in ein Drittland nur zulässig ist, wenn das Drittland ein Schutzniveau der Grundfreiheiten und Grundrechte gewährleistet, das dem in der Union garantierten Niveau der Sache nach gleichwertig ist. Dieses Erfordernis gilt auch im Fall der in Art.19 des geplanten Abkommens vorgesehenen Weitergabe von PNR-Daten durch Kanada an Drittländer. Damit soll verhindert werden, dass das im Abkommen vorgesehene Schutzniveau durch die Weitergabe personenbezogener Daten an Drittländer umgangen werden könnte, und gewährleistet werden, dass das vom Unionsrecht gewährte Schutzniveau fortbesteht[33]. Die Weitergabe personenbezogener Daten an ein Drittland erfordert daher ein Abkommen zwischen der Union und dem betreffenden Drittland, das dem geplanten Abkommen äquivalent ist, oder einen Beschluss der Kommission gemäß Art. 25 Abs. 6 der Richtlinie 95/46, mit dem festgestellt wird, dass das Drittland ein angemessenes Schutzniveau im Sinne des Unionsrechts gewährleistet, und der sich auf die Behörden erstreckt, an die PNR-Daten weitergegeben werden sollen.

Da die Art. 18 und 19 des geplanten Abkommens den in den vorstehenden Rn. 212 bis 214 dargelegten Anforderungen nicht entsprechen, wird mit ihm nicht gewährleistet, dass sich die Weitergabe von PNR-Daten durch die zuständige kanadische Behörde an andere kanadische Behörden oder an Behörden anderer Drittländer auf das absolut Notwendige beschränkt.

Zur Weitergabe der PNR-Daten an Einzelpersonen[↑]

Nach Art. 12 Abs. 3 des geplanten Abkommens kann Kanada „jede Offenlegung von Informationen angemessenen rechtlichen Anforderungen und Beschränkungen unterwerfen, … unter gebührender Beachtung des berechtigten Interesses der betroffenen Person“. Im Abkommen ist aber weder geregelt, welche Informationen weitergegeben werden dürfen, noch, an wen sie weitergegeben oder wie sie verwendet werden dürfen.

Außerdem werden im geplanten Abkommen die „angemessenen rechtlichen Anforderungen und Beschränkungen“ und das „berechtigte Interesse der betroffenen Person“ nicht definiert, und es wird auch nicht verlangt, dass die Weitergabe von PNR-Daten an eine Einzelperson mit der Bekämpfung von Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität im Zusammenhang steht und von der Genehmigung eines Gerichts oder einer unabhängigen Verwaltungsstelle abhängig gemacht wird. Die Vorschrift geht daher über das absolut Notwendige hinaus.

Zu den individuellen Rechten der Fluggäste[↑]

Nach Art. 8 Abs. 2 Satz 2 der Charta hat jede Person, deren personenbezogene Daten erhoben wurden, das Recht, Auskunft über diese Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken.

Zu Art. 7 der Charta hat der Unionsgerichtshof zudem bereits entschieden, dass das darin niedergelegte Grundrecht auf Achtung des Privatlebens voraussetzt, dass sich die betroffene Person vergewissern kann, dass ihre personenbezogenen Daten fehlerfrei verarbeitet werden und die Verarbeitung zulässig ist. Sie muss, um die nötigen Nachprüfungen durchführen zu können, ein Auskunftsrecht hinsichtlich der sie betreffenden Daten haben, die Gegenstand einer Verarbeitung sind[34].

Um zu gewährleisten, dass diese Rechte beachtet werden, muss den Fluggästen die Weitergabe ihrer PNR-Daten an Kanada und die Verwendung dieser Daten mitgeteilt werden, sobald dies die Ermittlungen der im geplanten Abkommen genannten Behörden nicht mehr beeinträchtigen kann. Diese Mitteilung ist nämlich der Sache nach erforderlich, damit die Fluggäste ihr Recht auf Auskunft über die sie betreffenden PNR-Daten und gegebenenfalls auf Berichtigung der Daten sowie ihr Recht, gemäß Art. 47 Abs. 1 der Charta bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen, ausüben können[35].

Zum Recht auf Information, Auskunft und Berichtigung[↑]

Die Art. 12 und 13 des geplanten Abkommens gewähren den Fluggästen zwar ein Recht auf Zugang zu ihren PNR-Daten und ein Recht auf Berichtigung dieser Daten. Sie verlangen aber nicht, dass den Fluggästen die Weitergabe ihrer PNR-Daten an Kanada und deren Verwendung mitgeteilt wird.

Das geplante Abkommen enthält insoweit in Art. 11 lediglich eine Transparenzregel, die die zuständige kanadische Behörde verpflichtet, auf ihrer Website bestimmte Informationen allgemeiner Art über die Weitergabe der PNR-Daten und ihre Verwendung bereitzustellen. Es enthält keine Verpflichtung zur individuellen Information der Fluggäste.

Diese Transparenzregel ermöglicht es zwar in hinreichender Weise, die Fluggäste sowohl über die Weitergabe ihrer PNR-Daten an Kanada als auch über deren systematische Verwendung für Sicherheits- und Grenzkontrollen zu informieren. Die Fluggäste können durch die in Art. 11 des geplanten Abkommens vorgesehene allgemeine Information jedoch nicht erfahren, ob ihre Daten über diese Kontrollen hinaus von der zuständigen kanadischen Behörde verwendet wurden. In Fällen wie den in den Rn.199 und 207 beschriebenen, in denen objektive Anhaltspunkte vorliegen, die eine solche Verwendung rechtfertigen und eine vorherige Genehmigung durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle erforderlich machen, ist daher eine individuelle Information der Fluggäste erforderlich. Dasselbe gilt für Fälle, in denen die PNR-Daten an andere Behörden oder an Einzelpersonen weitergegeben werden.

Nach der soeben angeführten Rechtsprechung darf eine solche Mitteilung aber erst erfolgen, wenn sie die Ermittlungen der im geplanten Abkommen genannten Behörden nicht mehr beeinträchtigen kann.

Das geplante Abkommen müsste daher präzisieren, dass Fluggäste, deren PNR-Daten von der zuständigen kanadischen Behörde in den genannten Fällen verwendet und gespeichert wurden, und Fluggäste, deren Daten an andere Behörden oder an Einzelpersonen weitergegeben wurden, von dieser Behörde unter den in der vorstehenden Randnummer genannten Bedingungen über die Verwendung oder die Weitergabe informiert werden.

Zum Recht auf einen Rechtsbehelf[↑]

In Bezug auf das Recht der Fluggäste auf einen Rechtsbehelf sieht Art. 14 Abs. 2 des geplanten Abkommens vor, dass Kanada dafür sorgt, dass jede Person, die der Auffassung ist, dass ihre Rechte durch eine Entscheidung oder Maßnahme in Bezug auf ihre PNR-Daten verletzt wurden, Anspruch auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf nach kanadischem Recht im Hinblick auf eine gerichtliche Überprüfung oder auf eine andere Wiedergutmachung hat, wozu auch Schadensersatzzahlungen gehören können.

Da diese Vorschrift für „jede Person, die der Auffassung ist, dass ihre Rechte … verletzt wurden“, gilt, erfasst sie sämtliche Fluggäste, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, ihrem Aufenthaltsort, ihrem Wohnort oder ihrem Aufenthalt in Kanada. Außerdem ist sie, wie der Rat geltend gemacht hat, in dem Sinne zu verstehen, dass die Fluggäste über einen Rechtsbehelf vor einem Gericht, wie ihn Art. 47 Abs. 1 der Charta verlangt, verfügen. Dass Art. 14 Abs. 2 des geplanten Abkommens vorsieht, dass der „wirksame gerichtliche Rechtsbehelf“ durch eine Schadensersatzklage ergänzt werden kann, führt entgegen dem Vorbringen des Parlaments nicht dazu, dass den Fluggästen ein solcher wirksamer Rechtsbehelf genommen wird, sondern ist eher geeignet, den gerichtlichen Schutz der betreffenden Personen zu verstärken.

Zur Überwachung der Garantien im Bereich des Schutzes der PNR-Daten[↑]

Nach Art. 8 Abs. 3 der Charta wird die Einhaltung der Anforderungen seiner Abs. 1 und 2 von einer unabhängigen Stelle überwacht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs soll die Gewährleistung der Unabhängigkeit einer solchen Kontrollstelle, deren Errichtung auch in Art. 16 Abs. 2 AEUV vorgesehen ist, die wirksame und zuverlässige Kontrolle der Einhaltung der Regeln zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten sicherstellen und ist im Licht dieses Zwecks auszulegen. Die Errichtung einer unabhängigen Kontrollstelle stellt daher ein wesentliches Element zur Wahrung des Schutzes der Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten dar[36].

Im vorliegenden Fall bestimmt Art. 10 Abs. 1 Satz 1 des geplanten Abkommens, dass die Einhaltung der Datenschutzgarantien bei der Verarbeitung von PNR-Daten von einer „unabhängigen Behörde“ oder einer „durch administrative Mittel eingerichteten Stelle, die ihre Aufgaben unparteiisch wahrnimmt und nachweislich unabhängig Entscheidungen trifft“, beaufsichtigt wird. Soweit diese Vorschrift vorsieht, dass die Beaufsichtigung durch eine unabhängige Behörde erfolgt, entspricht sie den Anforderungen von Art. 8 Abs. 3 der Charta. Hingegen scheint die Alternative zu ermöglichen, dass die Überwachung ganz oder teilweise von einer Behörde vorgenommen werden kann, die ihre Aufgabe nicht in völliger Unabhängigkeit wahrnimmt, sondern einer Aufsichtsbehörde untergeordnet ist, von der sie Weisungen erhalten kann, so dass sie nicht vor jeder äußeren Einflussnahme auf ihre Entscheidungen geschützt ist.

Durch Art. 10 des geplanten Abkommens wird somit nicht in hinreichend klarer und präziser Weise gewährleistet, dass die Überwachung der Einhaltung der im Abkommen vorgesehenen Regeln für den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung von PNR-Daten durch eine unabhängige Stelle im Sinne von Art. 8 Abs. 3 der Charta erfolgt.

Die gutachterliche Äußerung des EuGH[↑]

Nach alledem stellt der Gerichtshof der Europäischen Union fest, dass

  1. der Beschluss des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens auf Art. 16 Abs. 2 gemeinsam mit Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV zu stützen ist;
  2. das geplante Abkommen nicht mit Art. 7, Art. 8, Art. 21 und Art. 52 Abs. 1 der Charta vereinbar ist, soweit es die Übermittlung sensibler Daten aus der Union nach Kanada und die Verwendung und Speicherung solcher Daten nicht ausschließt;
  3. das geplante Abkommen, um mit Art. 7, Art. 8 und Art. 52 Abs. 1 der Charta vereinbar zu sein,
    1. die aus der Union nach Kanada zu übermittelnden PNR-Daten klar und präzise definieren muss,
    2. vorsehen muss, dass die im Rahmen der automatisierten Verarbeitung von PNR-Daten verwendeten Modelle und Kriterien spezifisch und zuverlässig sowie nicht diskriminierend sind und dass nur Datenbanken verwendet werden, die von Kanada im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität betrieben werden,
    3. außer im Rahmen der Überprüfungen der im Voraus festgelegten Modelle und Kriterien, auf denen die automatisierte Verarbeitung der PNR-Daten beruht, die Verwendung von PNR-Daten durch die zuständige kanadische Behörde während des Aufenthalts der Fluggäste in Kanada und nach ihrer Ausreise aus diesem Land sowie jede Weitergabe der Daten an andere Behörden materiell- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen unterwerfen muss, die sich auf objektive Kriterien stützen, sowie diese Verwendung und Weitergabe – außer in hinreichend begründeten Eilfällen – einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle unterwerfen muss, wobei die Entscheidung, mit der die Verwendung genehmigt wird, im Anschluss an einen mit Gründen versehenen Antrag ergeht, der von den zuständigen Behörden insbesondere im Rahmen von Verfahren zur Verhütung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten gestellt wird,
    4. die Speicherung von PNR-Daten nach der Ausreise der Fluggäste auf die Daten von Fluggästen beschränken muss, für die objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von ihnen eine Gefahr im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität ausgehen könnte,
    5. die Weitergabe von PNR-Daten durch die zuständige kanadische Behörde an Behörden eines Drittlands davon abhängig machen muss, dass es ein Abkommen zwischen der Union und dem betreffenden Drittland, das dem geplanten Abkommen äquivalent ist, oder einen Beschluss der Kommission gemäß Art. 25 Abs. 6 der Richtlinie 95/46 gibt, der sich auf die Behörden erstreckt, an die PNR-Daten weitergegeben werden sollen,
    6. ein Recht auf individuelle Information der Fluggäste im Fall der Verwendung der sie betreffenden PNR-Daten während ihres Aufenthalts in Kanada und nach ihrer Ausreise aus diesem Land und im Fall der Weitergabe dieser Daten durch die zuständige kanadische Behörde an andere Behörden oder Einzelpersonen vorsehen muss und
    7. gewährleisten muss, dass die Kontrolle der Einhaltung der Regeln des geplanten Abkommens für den Schutz der Fluggäste bei der Verarbeitung der sie betreffenden PNR-Daten durch eine unabhängige Kontrollstelle sichergestellt wird.

Folglich äußert sich der Gerichtshof der Europäischen Union (Große Kammer) gutachtlich wie folgt:

  1. Der Beschluss des Rates über den Abschluss des Abkommens zwischen Kanada und der Europäischen Union über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen im Namen der Union ist auf Art. 16 Abs. 2 gemeinsam mit Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV zu stützen.
  2. Das Abkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen ist nicht mit Art. 7, Art. 8, Art. 21 und Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vereinbar, soweit es die Übermittlung sensibler Daten aus der Europäischen Union nach Kanada und die Verwendung und Speicherung solcher Daten nicht ausschließt.
  3. Das Abkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen muss, um mit Art. 7, Art. 8 und Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte vereinbar zu sein,
    1. die aus der Europäischen Union nach Kanada zu übermittelnden Fluggastdatensätze klar und präzise definieren,
    2. vorsehen, dass die im Rahmen der automatisierten Verarbeitung von Fluggastdatensätzen verwendeten Modelle und Kriterien spezifisch und zuverlässig sowie nicht diskriminierend sind und dass nur Datenbanken verwendet werden, die von Kanada im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität betrieben werden,
    3. außer im Rahmen der Überprüfungen der im Voraus festgelegten Modelle und Kriterien, auf denen die automatisierte Verarbeitung der Fluggastdatensätze beruht, die Verwendung von Fluggastdatensätzen durch die zuständige kanadische Behörde während des Aufenthalts der Fluggäste in Kanada und nach ihrer Ausreise aus diesem Land sowie jede Weitergabe der Daten an andere Behörden materiell- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen unterwerfen, die sich auf objektive Kriterien stützen, sowie diese Verwendung und Weitergabe – außer in hinreichend begründeten Eilfällen – einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle unterwerfen, wobei die Entscheidung, mit der die Verwendung genehmigt wird, im Anschluss an einen mit Gründen versehenen Antrag ergeht, der von den zuständigen Behörden insbesondere im Rahmen von Verfahren zur Verhütung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten gestellt wird,
    4. die Speicherung von Fluggastdatensätzen nach der Ausreise der Fluggäste auf die Daten von Fluggästen beschränken, für die objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von ihnen eine Gefahr im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität ausgehen könnte,
    5. die Weitergabe von Fluggastdatensätzen durch die zuständige kanadische Behörde an Behörden eines Drittlands davon abhängig machen, dass es ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und dem betreffenden Drittland, das dem Abkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen äquivalent ist, oder einen Beschluss der Kommission gemäß Art. 25 Abs. 6 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr gibt, der sich auf die Behörden erstreckt, an die Fluggastdatensätze weitergegeben werden sollen,
    6. ein Recht auf individuelle Information der Fluggäste im Fall der Verwendung der sie betreffenden Fluggastdatensätze während ihres Aufenthalts in Kanada und nach ihrer Ausreise aus diesem Land und im Fall der Weitergabe dieser Daten durch die zuständige kanadische Behörde an eine andere Behörde oder an Einzelpersonen vorsehen und
    7. gewährleisten, dass die Kontrolle der Einhaltung der Regeln des Abkommens zwischen Kanada und der Europäischen Union über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen für den Schutz der Fluggäste bei der Verarbeitung der sie betreffenden Fluggastdatensätze durch eine unabhängige Kontrollstelle sichergestellt wird.

Gerichtshof der Europäischen Union – Gutachten vom 26. Juli 2017 – Avis 1/15

  1. unterzeichnet am 7.12 1944 in Chicago, United Nations Treaty Series, Band 15, Nr. 102[]
  2. vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteile vom 30.04.1974, Haegeman, 181/73, EU:C:1974:41, Rn. 5; und vom 11.03.2015, Oberto und O’Leary, C‑464/13 und C‑465/13, EU:C:2015:163, Rn. 29; Gutachten 2/13 [Beitritt der Union zur EMRK] vom 18.12 2014, EU:C:2014:2454, Rn. 180[]
  3. EuGH, Gutachten 2/13 [Beitritt der Union zur EMRK] vom 18.12 2014, EU:C:2014:2454, Rn. 145 und 146 sowie die dort angeführte Rechtsprechung[]
  4. vgl. in diesem Sinne, in Bezug auf Art. 300 Abs. 6 EG: EuGH, Gutachten 1/08 [Abkommen zur Änderung der Listen spezifischer Verpflichtungen nach dem GATS] vom 30.11.2009, EU:C:2009:739, Rn. 108 und die dort angeführte Rechtsprechung[]
  5. vgl. in diesem Sinne EuGH Urteil vom 01.10.2009, Kommission/Rat, C‑370/07, EU:C:2009:590, Rn. 47[]
  6. EuGH, Urteile vom 06.05.2014, Kommission/Parlament und Rat, C‑43/12, EU:C:2014:298, Rn. 29; und vom 14.06.2016, Parlament/Rat, C‑263/14, EU:C:2016:435, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung[]
  7. EuGH, Urteil vom 14.06.2016, Parlament/Rat, C‑263/14, EU:C:2016:435, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung[]
  8. EuGH, Urteil vom 06.11.2008, Parlament/Rat, C‑155/07, EU:C:2008:605, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung[]
  9. vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteil vom 06.10.2015, Schrems, C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 68 und 74[]
  10. EuGH, Urteil vom 24.06.2014, Parlament/Rat, C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 58[]
  11. vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteil vom 22.10.2013, Kommission/Rat, C‑137/12, EU:C:2013:675, Rn. 73[]
  12. vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteile vom 10.01.2006, Kommission/Parlament und Rat, C‑178/03, EU:C:2006:4, Rn. 58; und vom 19.07.2012, Parlament/Rat, C‑130/10, EU:C:2012:472, Rn. 47 und 48[]
  13. vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteile vom 09.11.2010, Volker und Markus Schecke und Eifert, C‑92/09 und C‑93/09, EU:C:2010:662, Rn. 52; vom 24.11.2011, Asociación Nacional de Establecimientos Financieros de Crédito, C‑468/10 und C‑469/10, EU:C:2011:777, Rn. 42; und vom 17.10.2013, Schwarz, C‑291/12, EU:C:2013:670, Rn. 26[]
  14. vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteile vom 09.11.2010, Volker und Markus Schecke und Eifert, C‑92/09 und C‑93/09, EU:C:2010:662, Rn. 49; vom 05.05.2011, Deutsche Telekom, C‑543/09, EU:C:2011:279, Rn. 52; und vom 08.04.2014, Digital Rights Ireland u. a., C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 29[]
  15. vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteile vom 20.05.2003, Österreichischer Rundfunk u. a., C‑465/00, C‑138/01 und C‑139/01, EU:C:2003:294, Rn. 74 und 75; vom 08.04.2014, Digital Rights Ireland u. a., C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 33 bis 35; und vom 06.10.2015, Schrems, C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 87[]
  16. vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteile vom 17.10.2013, Schwarz, C‑291/12, EU:C:2013:670, Rn. 25; und vom 08.04.2014, Digital Rights Ireland u. a., C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 36[]
  17. vgl. entsprechend EuGH, Urteil vom 06.10.2015, Schrems, C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 72 bis 74[]
  18. vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteile vom 12.06.2003, Schmidberger, C‑112/00, EU:C:2003:333, Rn. 80; vom 09.11.2010, Volker und Markus Schecke und Eifert, C‑92/09 und C‑93/09, EU:C:2010:662, Rn. 48; und vom 17.10.2013, Schwarz, C‑291/12, EU:C:2013:670, Rn. 33[]
  19. vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteil vom 17.12 2015, WebMindLicenses, C‑419/14, EU:C:2015:832, Rn. 81[]
  20. EuGH, Urteil vom 16.12 2008, Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia, C‑73/07, EU:C:2008:727, Rn. 56; vom 08.04.2014, Digital Rights Ireland u. a., C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 51 und 52; vom 06.10.2015, Schrems, C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 92; und vom 21.12 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a., C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970, Rn. 96 und 103[]
  21. vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteile vom 08.04.2014, Digital Rights Ireland u. a., C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 54 und 55, sowie vom 21.12 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a., C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970, Rn. 109 und 117; vgl. in diesem Sinne EGMR, 4.12 2008, S. und Marper/Vereinigtes Königreich, CE:ECHR:2008:1204JUD003056204, § 103[]
  22. EuGH, Urteil vom 24.06.2014, Parlament/Rat, C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 56[]
  23. vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteile vom 08.04.2014, Digital Rights Ireland u. a., C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 42 und 44, sowie vom 15.02.2016, N., C‑601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 53[]
  24. ABl.2016, L 119, S. 132[]
  25. ABl.2008, C 110, S. 1[]
  26. vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteile vom 06.10.2015, Schrems, C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 93; und vom 21.12 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a., C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970, Rn. 110[]
  27. vgl. entsprechend EuGH, Urteil vom 21.12 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a., C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970, Rn. 117 und 118 sowie die dort angeführte Rechtsprechung[]
  28. vgl. entsprechend EuGH, Urteil vom 21.12 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a., C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970, Rn. 119 und die dort angeführte Rechtsprechung[]
  29. vgl. entsprechend EuGH, Urteil vom 21.12 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a., C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970, Rn. 120 und die dort angeführte Rechtsprechung[]
  30. vgl. entsprechend EuGH, Urteil vom 21.12 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a., C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970, Rn. 119[]
  31. vgl. entsprechend EuGH, Urteil vom 21.12 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a., C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970, Rn. 108[]
  32. vgl. entsprechend EuGH, Urteil vom 21.12 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a., C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970, Rn. 122 und die dort angeführte Rechtsprechung[]
  33. vgl. entsprechend EuGH, Urteil vom 06.10.2015, Schrems, C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 72 und 73[]
  34. vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteil vom 07.05.2009, Rijkeboer, C‑553/07, EU:C:2009:293, Rn. 49[]
  35. vgl. entsprechend EuGH, Urteil vom 21.12 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a., C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970, Rn. 121 und die dort angeführte Rechtsprechung[]
  36. EuGH, Urteile vom 09.03.2010, Kommission/Deutschland, C‑518/07, EU:C:2010:125, Rn. 25; vom 08.04.2014, Kommission/Ungarn, C‑288/12, EU:C:2014:237, Rn. 48; und vom 06.10.2015, Schrems, C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 41[]