Der Gerichtshof der Europäischen Union hat das erstinstanzliche Urteil des Gerichts der Europäischen Union über das „spanische True-Lease-Modell“ aufgehoben. Das Unionsgericht hatte den Beschluss der Kommission, wonach dieses Modell eine rechtswidrige staatliche Beihilfe darstelle, für nichtig erklärt.

Ab Mai 2006 gingen bei der Kommission mehrere Beschwerden über das so genannte „spanische True-Lease-Modell“ (Sistema español de arrendamiento fiscal, SEAF) ein. Mit ihnen wurde gerügt, dass dieses Modell es den Reedereien ermögliche, von spanischen Schiffswerften gebaute Schiffe mit einem Preisnachlass zwischen 20 % und 30 % zu erwerben, was sich negativ auf die Verkäufe der Schiffswerften anderer Mitgliedstaaten auswirke.
Das SEAF beruhte auf einer von einer Bank, die als Vermittlerin zwischen einer Reederei (Käufer) und einer Schiffswerft (Verkäufer) fungierte, ad hoc gegründeten rechtlichen und finanziellen Einheit. Die Bank schaltete im Rahmen des Verkaufs des Schiffs eine Leasinggesellschaft und eine von der Bank gegründete wirtschaftliche Interessenvereinigung (WIV) zwischen. Letztere veräußerte an Investoren Beteiligungen an der WIF, die das Schiff ab dessen Baubeginn von einer Leasinggesellschaft leaste und es anschließend im Rahmen eines Bareboat-Chartervertrags an die Reederei verleaste. Der Zweck dieser Ausgestaltung bestand darin, Steuervorteile für die an der WIV beteiligten Investoren zu schaffen und einen Teil dieser Vorteile (in Höhe von 85 % bis 90 %) an die Reederei in Form eines Nachlasses auf den Schiffspreis weiterzugeben, wobei den Investoren die übrigen Vorteile (von 10 % bis 15 %) als Investitionsrendite verblieben. Die Vorteile ergaben sich aus fünf steuerlichen Maßnahmen für Finanzierungs-Leasingverträge (beschleunigte Abschreibung und – genehmigungsabhängig – vorzeitige Abschreibung bestimmter Waren), für die WIV (steuerliche Transparenz) und für Tätigkeiten auf See (spezielle Tonnagebesteuerung).
Mit Beschluss vom 17. Juli 2013 vertrat die Kommission die Ansicht, dass drei der fünf geprüften steuerlichen Maßnahmen eine staatliche Beihilfe für die WIV und ihre Investoren darstellten, die Spanien ab dem 1. Januar 2002 rechtswidrig gewährt habe[1].
Einige der für das SEAF geltenden Steuerbestimmungen wurden von Spanien im Jahr 2012, vor dem Erlass des Beschlusses der Kommission vom 17. Juli 2013, geändert. Aufgrund der vorgenommenen Änderungen ging die Kommission in ihrem Beschluss vom 20. November 2012[2], davon aus, dass die neue Regelung keine staatliche Beihilfe darstelle. Das Gericht der Europäischen Union wies mit Urteil vom 9. Dezember 2014[3], eine Klage gegen diesen Beschluss ab. Das dagegen eingelegte Rechtsmittel wurde vom Gerichtshof der Europäischen Union zurückgewiesen[4].
Die Beihilfe wurde von der Kommission für teilweise mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt. Zur Wahrung des Grundsatzes der Rechtssicherheit verlangte die Kommission die Rückforderung der Beihilfe nur im Rahmen bestimmter Transaktionen. Ihre Rückforderung wurde nur von den Investoren angeordnet, ohne dass diese Begünstigten die damit verbundene Belastung an andere Personen weitergeben konnten.
Spanien, Lico Leasing, ein Finanzinstitut, das in eine Reihe am SEAF beteiligter WIV investiert hat, sowie Pequeños y Medianos Astilleros Sociedad de Reconversión, ein Unternehmen, das mit kleinen und mittleren Schiffswerften zusammenarbeitet, um es ihnen zu ermöglichen, ihre gewerblichen Ziele angemessen zu verwirklichen, beantragten beim Gericht der Europäischen Union die Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission. Vor diesem Gericht sind noch 63 weitere Klagen gegen diesen Beschluss der Kommission anhängig. Mit Urteil vom 17. Dezember 2015 hat das Gericht den Beschluss der Kommission für nichtig erklärt[5]. erklärt. Die Kommission hat daraufhin beim Gerichtshof die Aufhebung des Urteils des Gerichts beantragt. 34 spanische Kreditinstitute, Unternehmen und Reedereien sind dem Rechtsmittelverfahren als Streithelferinnen beigetreten.
Mit seinem jetzt verkündeten Urteil hob der Gerichtshof der Europäischen Union das Urteil des Gerichts erster Instanz auf und verwies die Rechtssache an das Gericht der Europäischen Union zurück.
In seinem Urteil führt der Unionsgerichtshof zunächst aus, dass das Unionsgericht den das Verbot staatlicher Beihilfen betreffenden Art. 107 Abs. 1 AEUV falsch ausgelegt hat. Das Gericht ist nämlich zu dem Ergebnis gekommen, dass die WIV allein deswegen nicht die Begünstigten einer staatlichen Beihilfe sein könnten, weil aufgrund ihrer steuerlichen Transparenz nicht sie, sondern die Investoren in den Genuss der steuerlichen und wirtschaftlichen Vorteile aus den fraglichen steuerlichen Maßnahmen gekommen seien. Da die WIV eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübten, stellten sie aber Unternehmen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV dar. Es waren die WIV, die bei der Steuerverwaltung die vorzeitige Abschreibung geleaster Vermögenswerte beantragten und erhielten und die dafür optierten, anstelle des normalen Körperschaftsteuersystems die Tonnagebesteuerung anzuwenden. Außerdem waren es die WIV, die in zwei Phasen durch die Kombination der fraglichen steuerlichen Maßnahmen steuerliche Vorteile erzielten. Die daraus resultierenden wirtschaftlichen Vorteile gingen zwar in vollem Umfang auf die Mitglieder der WIV über, doch wurden die fraglichen steuerlichen Maßnahmen auf die WIV angewandt, und sie waren die unmittelbaren Begünstigten der damit verbundenen Vorteile. Diese Vorteile begünstigten die von ihnen ausgeübte Tätigkeit des Erwerbs von Schiffen mittels Leasingverträgen, insbesondere zwecks ihrer Bareboat-Charter und ihres späteren Wiederverkaufs. Das Gericht hat somit dadurch, dass es allein aufgrund der Rechtsform der WIV und der daran anknüpfenden Regeln über die Besteuerung der Gewinne ausgeschlossen hat, dass sie Begünstigte staatlicher Beihilfen sein können, die Rechtsprechung außer Acht gelassen, wonach die Qualifizierung einer Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ weder von der Rechtsform der betroffenen Unternehmen noch von den verwendeten Techniken abhängen kann.
Der Unionsgerichtshof hebt sodann hervor, dass die vom Unionsgericht in seinem Urteil vorgenommene Prüfung auf dieser unzutreffenden Prämisse beruht, wonach nur die Investoren und nicht die WIV als Begünstigte der Vorteile aus den fraglichen steuerlichen Maßnahmen angesehen werden konnten. Folglich ist die Voraussetzung der Selektivität fälschlich in Bezug auf die Investoren und nicht auf die WIV geprüft worden. Überdies hat sich das Uniongsgericht bei seiner Prüfung dieser Voraussetzung auch auf zwei von ihm am 7. November 2014 verkündete Urteile[6] gestützt, die später vom Gerichtshof mit Urteil vom 21. Dezember 2016[7] aufgehoben und an das Unionsgericht zurückverwiesen wurden. Dem Unionsgericht ist daher ein Rechtsfehler unterlaufen, als es entschieden hat, dass die Vorteile der an den Transaktionen im Rahmen des SEAF beteiligten Investoren nicht als selektiv angesehen werden könnten, weil diese Transaktionen jedem Unternehmen unter gleichen Bedingungen unterschiedslos offenstünden, ohne dass es geprüft hat, ob die Kommission dargetan hatte, dass die fraglichen steuerlichen Maßnahmen durch ihre konkreten Wirkungen zu einer Ungleichbehandlung von Wirtschaftsteilnehmern führten, obwohl sich die durch die Steuervorteile begünstigten und die von ihnen ausgeschlossenen Wirtschaftsteilnehmer im Hinblick auf das mit dieser Steuerregelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befanden.
Schließlich führt der Unionsgerichtshof aus, dass der Beschluss der Kommission entgegen dem vom Unionsgericht gezogenen Schluss weder mit einem Begründungsmangel behaftet noch widersprüchlich begründet ist.
Gerichtshof der Europäischen Union – Ureil vom 25. Juli 2018 – C -128/16 P
- Beschluss 2014/200/EU der Kommission vom 17. Juli 2013 „über die staatliche Beihilfe SA.21233 C/11 (ex NN/11, ex CP 137/06) Spaniens – Auf bestimmte Finanzierungs-Leasingvereinbarungen anwendbares Steuersystem, das auch als spanisches True-Lease-Modell bezeichnet wird“, ABl. 2014, L 144, S. 1[↩]
- Beschluss vom 20. November 2012 über die staatliche Beihilfe SA.34736 (12/N) betreffend die Umsetzung einer steuerlichen Regelung durch das Königreich Spanien, die eine vorzeitige Abschreibung bestimmter durch Finanzierungsleasing erworbener Aktiva erlaubt, ABl. 2012, C 384, S. 1[↩]
- EuG, Urteil vom 09.12.2014 – T-140/13, Netherlands Maritime Technology Association/Kommission[↩]
- EuGH – C-100/15 P, Netherlands Maritime Technology Association/Kommission[↩]
- EuG, Urteil vom 17. Dezember 2015, Spanien/Kommission sowie Lico Leasing, SA und Pequeños y Medianos Astilleros Sociedad de Reconversión, SA/Kommission – verbundene Rechtssachen T-515/13 und T-719/13[↩]
- EuG, Urteile vom 07.11.2014, Rechtssachen Banco Santander und Santusa/Kommission sowie Autogrill España/Kommission – T-399/11 und T-219/10[↩]
- EuGH, Urteil vom 21.12.2016, Kommission/World Duty Free Group u. a. – verbundene Rechtssachen C-20/15 P und C-21/15 P[↩]