Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung bestätigt, mit der die Kommission verschiedene Maßnahmen Frankreichs zugunsten von SNCM gebilligt hatte.

Die Société Nationale Corse-Méditerranée (SNCM) ist ein französisches Schifffahrtunternehmen, das regelmäßige Schiffverbindungen vom französischen Festland anbietet.2002 stand dieses Unternehmen zu 20 % im Eigentum der Société nationale des chemins de fer (SNCF) und zu 80 % im Eigentum der Compagnie générale maritime et financière (CGMF), deren Kapital wiederum zu 100 % unmittelbar vom französischen Staat gehalten wird. Bei der Öffnung des Kapitals von SNCM 2006 wurde die Kontrolle über diese Gesellschaft zu 66 % von privaten Unternehmen (Butler Capital Partners und Veolia Transport, heute nur noch Veolia Transport) übernommen, während 25 % ihres Kapitals im Besitz von CGMF verblieben und 9 % den Arbeitnehmern vorbehalten blieben.
Mit einer Entscheidung vom 08.07.2008[1] stellte die Kommission fest, dass die im Jahr 2002 vorgenommene Kapitalzuführung von CGMF an SNCM in Höhe von 76 Mio. € (53,48 Mio. € für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen und 22,52 Mio. € als Umstrukturierungsbeihilfen) mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei. Die Maßnahmen des Privatisierungsplans von 2006 waren nach Ansicht der Kommission keine staatlichen Beihilfen. Diese Maßnahmen umfassten eine Veräußerung von SNCM durch CGMF zu einem negativen Kaufpreis von 158 Mio. € (Kapitalaufstockung), eine zusätzliche Kapitalzuführung von CGMF in Höhe von 8,75 Mio. € und schließlich einen Kontokorrentvorschuss von 38,5 Mio. € zur Finanzierung eines von den Übernehmern gegebenenfalls aufzustellenden Sozialplans.
Diese Kapitalzuführung war bereits 2003 Gegenstand einer Entscheidung der Kommission[2] gewesen, die vom Gericht der Europäischen Union mit Urteil vom 15.06.2005[3] für nichtig erklärt wurde.
Die Corsica Ferries France SAS, der Hauptwettbewerber von SNCM, erhob beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission. Mit Urteil vom 11.09.2012 erklärte das Gericht der Europäischen die Entscheidung teilweise für nichtig, da es der Auffassung war, dass der Kommission mehrere Beurteilungsfehler sowohl hinsichtlich der Kapitalzuführung als auch des Privatisierungsplans unterlaufen seien[4]. SNCM und Frankreich haben daraufhin die Aufhebung dieses Urteils vor dem Gerichtshof beantragt.
Beim Gerichtshof der Europäischen Union kann ein solches auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel gegen ein Urteil oder einen Beschluss des Gerichts der Europäischen Union eingelegt werden. Das Rechtsmittel hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Ist das Rechtsmittel zulässig und begründet, hebt der Unionsgerichtshof die Entscheidung des Unionsgerichts auf. Ist die Rechtssache zur Entscheidung reif, kann der Unionsgerichtshof den Rechtsstreit selbst entscheiden. Andernfalls verweist er die Rechtssache an das Unionsgericht zurück, das an die Rechtsmittelentscheidung des Unionsgerichtshofs gebunden ist.
In seinem jetzt verkündeten Urteil weist der Gerichtshof der Europäischen Union die Rechtsmittel von SNCM und Frankreich zurück und bestätigt somit die teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission.
Was die Veräußerung von SNCM zu einem negativen Kaufpreis von 158 Mio. Euro anbelangt, werfen SNCM und Frankreich dem Gericht der Europäischen Union vor, den „Test des marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers“ nicht korrekt angewandt zu haben. Mit diesem Test soll ermittelt werden, ob ein privater Kapitalgeber hätte veranlasst werden können, im Rahmen des Verkaufs von SNCM eine Kapitalzuführung in Höhe von 158 Mio. Euro vorzunehmen, oder ob er sich für die Liquidation des Unternehmens entschieden hätte. Dieser Test ist für die Feststellung einer staatlichen Beihilfe notwendig: Daseinem Unternehmen vom Staat unter Umständen, die den normalen Marktbedingungen entsprechen, zur Verfügung gestellte Kapital kann nämlich nicht als staatliche Beihilfe qualifiziert werden.
Der Unionsgerichtshof ist dagegen der Ansicht, dass das Unionsgericht die Kriterien ordnungsgemäß bestimmt hat, die für die Ermittlung des umsichtigen privaten Kapitalgebers, mit dem das fragliche öffentliche Unternehmen (CGMF) verglichen werden musste, notwendig sind. Außerdem ist das Gericht ordnungsgemäß zu dem Ergebnis gekommen, dass es die Kommission nicht vermocht hat, rechtlich hinreichend darzulegen, dass das Verhalten des französischen Staats durch eine vernünftige Wahrscheinlichkeit motiviert war, einen langfristigen materiellen Nutzen aus dem fraglichen Geschäft zu ziehen.
Was die von CGMF mit den privaten Übernehmern gemeinsam und gleichzeitig erfolgte Kapitalzuführung in Höhe von 8,75 Mio. Euro betrifft, bestätigt der Gerichtshof, dass das Gericht bei der Bewertung der Wirkungen der Klausel über die Auflösung der Veräußerung, die zum Zeitpunkt der Kapitalzuführung im Zusammenhang mit der teilweisen Privatisierung von SNCM vereinbart worden war, keine Rechtsfehler begangen hat. Der Gerichtshof stellt nämlich fest, dass die Übernehmer im Fall der Ausübung dieser Klausel die Möglichkeit haben, ihre Kapitalzuführung zurückzuerlangen und sich aus SNCM zurückzuziehen. Es ist daher offensichtlich, wie das Gericht festgestellt hat, dass die Klausel über die Auflösung Auswirkungen auf die Bedingungen dieser Rekapitalisierung haben und so die Vergleichbarkeit der Kapitalzuführungen durch die öffentlichen und privaten Übernehmer beeinflussen kann. Da das Gericht Anhaltspunkte festgestellt hat, die das Vorliegen einer solchen Beeinflussung beweisen, konnte es zutreffend zu dem Schluss kommen, dass die Kommission eine vertiefte Untersuchung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Klausel über die Auflösung der Veräußerung hätte vornehmen müssen.
Was schließlich die personenbezogenen Beihilfen in Höhe von 38,5 Mio. € betrifft, machten SNCM und Frankreich geltend, das Unionsgericht hätte überprüfen müssen, ob diese Summe im Hinblick auf den Privatinvestortest gerechtfertigt ist. Hierzu stellt der Unionsgerichtshof fest, dass SNCM und Frankreich nichts vortragen, was den Schluss zuließe, dass sich die Art dieses Betrags von 38,5 Mio. € von dem Betrag von 158 Mio. € unterscheidet, so dass sich im Hinblick auf den Privatinvestortest dieselben Schlussfolgerungen ergeben.
Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 4. September 2014 – C -533/12 P und C -536/12 P
- EU-Kommission, Entscheidung 2009/611/EG vom 08.07.2008 über die Maßnahmen C 58/02 (ex N 118/02) Frankreichs zugunsten der Société Nationale Maritime Corse-Méditerranée (SNCM), ABl.2009, L 225, S. 180[↩]
- EU-Kommission, Entscheidung 2004/166/EG vom 09.07.2003, ABl.2004, L 61, S. 13[↩]
- EuG, Urteil vom 15.06.2005 – T-349/03, Corsica Ferries France/Kommission[↩]
- EuG, Urteil vom 11.09.2012 – T-565/08, Corsica Ferries France/Kommission[↩]