In einem auf eine Vorabentscheidungsvorlage des Bundesgerichtshofs geführten Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union steht einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt, der seine Partei auch im Vorabentscheidungsverfahren vertritt, für diese Tätigkeit eine 1,6-fache Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3206 VV-RVG zu. Darüber hinaus kann er selbst dann, wenn im Vorabentscheidungsverfahren ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, eine 1,5-fache Terminsgebühr nach Nr. 3210 VV-RVG beanspruchen.

Zu den gesetzlichen Gebühren eines Rechtsanwalts, der in einem Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof tätig wird, ordnet § 38 Abs. 1 Satz 1 RVG eine entsprechende Geltung der Vorschriften in Teil 3 Abschnitt 2 VV-RVG an. Insoweit entspricht es allgemeiner Auffassung, dass mit dieser Verweisung die Gebührentatbestände in Unterabschnitt 2 betreffend die Revision, also Nr. 3206 ff. VV-RVG, gemeint sind[1]. Dem ist zu folgen.
Das ergibt sich zwar nicht schon daraus, dass der Gesetzgeber, nach dessen Vorstellung auch im Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof die für Rechtsmittelverfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vorgesehenen Gebühren entstehen sollten, die Gebührenregelung des § 38 RVG entsprechend der für das Vorabentscheidungsverfahren getroffene Vorgängerregelung des § 113a BRAGO gestalten wollte[2]. Denn in dessen Abs. 1 Satz 2 war lediglich vorgesehen, dass die Gebühren sich nach § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO richten sollten, der seinerseits ohne weitere Differenzierung nach den Instanzen für das Berufungs- und das Revisionsverfahren eine Erhöhung der jeweils maßgeblichen vollen Gebühr um drei Zehntel vorsah. Die Anwendbarkeit des Unterabschnitts 2 ergibt sich aber aus einem Vergleich mit § 38 Abs. 2 RVG, in dem für Vorabentscheidungsverfahren in Strafsachen auf die revisionsrechtlichen Gebührentatbestände nach Nr. 4130, 4132 VV-RVG verwiesen wird, sowie aus einem Vergleich mit § 37 Abs. 2 Satz 1 RVG, in dem für sonstige Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Verfassungsgericht eines Landes ausdrücklich eine entsprechende Geltung der Vorschriften in Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 VV-RVG angeordnet ist. Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber die anwaltliche Tätigkeit in Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof geringer honoriert wissen wollte als in den entsprechenden strafrechtlichen Vorabentscheidungsverfahren oder in Verfahren vor den innerstaatlichen Verfassungsgerichten, so dass die fehlende Benennung des Unterabschnitts 2 lediglich als ein bereits in den vorangegangenen Vorschriften der BRAGO angelegtes gesetzgeberisches Versehen zu werten ist[3].
Von dem Verweis auf Nr. 3206 ff. VV-RVG wird aber nicht der Gebührentatbestand gemäß Nr. 3208 erfasst, wonach sich die 1,6-fache Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3206 VV-RVG in Verfahren, in denen sich die Parteien nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen können, auf den 2,3-fachen Satz beläuft.
Das Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof hat gebührenrechtlich nicht zum Revisionsrechtszug vor dem Bundesgerichtshof gezählt, in dem die Parteien sich gemäß § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO nur durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen konnten.
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof ein Zwischenstreit innerhalb des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreits, so dass auch die Kostenentscheidung Sache des vorlegenden Gerichts ist[4]. Ebenso bestimmen sich in Ermangelung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften die Kostenfestsetzung und die Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen der Parteien des Ausgangsverfahrens für das Vorabentscheidungsverfahren nach den auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Vorschriften des nationalen Rechts. Dieses hat die insoweit anwendbaren Vorschriften zu bestimmen und insbesondere festzulegen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Modalitäten die Kosten einer der Parteien auferlegt oder zwischen beiden geteilt werden können oder aber jede Partei ihre eigenen Kosten zu tragen hat[5].
Die geforderten innerstaatlichen Regelungen hat der deutsche Gesetzgeber für den vorliegenden Fall zum einen in § 38 RVG durch die Bestimmung der gesetzlichen Gebühren für die am Vorabentscheidungsverfahren beteiligten Rechtsanwälte und zum anderen in § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO getroffen, wonach die gesetzlichen Gebühren des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig zu erstatten sind. Dabei hat er abweichend von der in § 15 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, § 19 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 RVG aufgestellten Regel, wonach die Gebühren des Rechtsanwalts seine gesamte Tätigkeit in jedem Rechtszug bis zur Erledigung der Angelegenheit abgelten und wonach zu dem Rechtszug auch Zwischenstreite gehören, unter Fortführung der bereits in § 113a BRAGO zum Ausdruck gebrachten Sichtweise in § 38 RVG bestimmt, dass das Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof wegen seiner besonderen Bedeutung gebührenrechtlich als ein eigenständiger Rechtszug zu behandeln ist[6]. Zugleich hat er hinsichtlich der dabei anfallenden Rechtsanwaltsgebühren auf die in Nr. 3206 ff. VV-RVG aufgeführten Gebührentatbestände verwiesen. Denn das Vorabentscheidungsverfahren erfordert nach seinem Inhalt wie auch nach seiner in den Verfahrensvorschriften zum Ausdruck kommenden äußeren Form, die sich von Verfahren vor deutschen Gerichten erheblich unterscheidet, regelmäßig ein umfangreiches Tätigwerden des Rechtsanwalts, welches allein durch die Gebühren des Ausgangsverfahrens nicht mehr angemessen abgegolten wird[7].
Angesichts dieser gebührenrechtlichen Eigenständigkeit des außerhalb des Ausgangsverfahrens nach eigenen verfahrensrechtlichen Regeln geführten Vorabentscheidungsverfahrens kann deshalb für die jeweilige Gebührenentstehung auch nicht an das Ausgangsverfahren und dessen verfahrensrechtliche Gegebenheiten angeknüpft werden. Maßgeblich ist vielmehr das Verfahrensrecht des Vorabentscheidungsverfahrens, wie es seinen Ausdruck insbesondere in Art. 267 AEUV, Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs vom 26. Februar 2001[8] und Art. 103 ff. der Verfahrensordnung des Gerichtshofs vom 19. Juni 1991[9] gefunden hat. Das gilt nicht nur für die Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt nach dem betreffenden Verfahrensrecht eine Terminsgebühr anfällt. Das gilt genauso für die Frage, ob sich nach diesem Verfahrensrecht eine vom Rechtsanwalt im Vorabentscheidungsverfahren entfaltete Tätigkeit gebührenrechtlich als Teil oder jedenfalls zwangsläufige Fortsetzung seiner Tätigkeit im Ausgangsverfahren darstellt und deshalb ein Verfahren vorliegt, in dem sich – wie von Nr. 3208 VV-RVG gefordert – die Parteien nur durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen können. Dies ist zu verneinen.
Bereits bei der Vorgängerregelung des § 113a BRAGO, dem § 38 RVG nachgebildet ist[10], findet sich in Absatz 1 Satz 2 für die entstehenden Gebühren nur die Verweisung auf § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO, nach dem sich im Berufungs- und Revisionsverfahren die Beträge der jeweiligen vollen Gebühr um drei Zehntel erhöhen. Nicht in die Verweisung aufgenommen war dagegen § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO, der vergleichbar mit Nr. 3208 VV-RVG bestimmt hat, dass sich im Revisionsverfahren die Prozessgebühr um zehn Zehntel erhöht, soweit sich die Parteien nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen können. Dementsprechend sind die angefallenen Gebühren unabhängig davon, in welchem Rechtszug die Vorabentscheidungsvorlage ergangen war, für die im Vorabentscheidungsverfahren nach Maßgabe der ihnen dort eingeräumten Vertretungsberechtigung tätig gewordenen Rechtsanwälte eigenständig nach dem in § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO bestimmten Erhöhungssatz und nicht nach dem – möglicherweise nach oben oder nach unten abweichenden – Gebührensatz des Ausgangsverfahrens bemessen worden[11].
Dass der Gesetzgeber hiervon bei Schaffung des § 38 Abs. 1 RVG abrücken und die im Vorabentscheidungsverfahren nach Maßgabe der ihnen in Art.19 Abs. 3, 4 Satzung EuGH eingeräumten Vertretungsberechtigung tätig gewordenen Rechtsanwälte nicht mehr gleich vergütet wissen wollte, sondern dass er stattdessen erwogen hat, bei Bemessung der Vergütung etwa an die Gebührensätze des Ausgangsverfahrens anzuknüpfen oder sonst einer bestimmten Gruppe von Rechtsanwälten höhere Gebührensätze zuzubilligen, ist nicht erkennbar. Er hat die nach Maßgabe der Nr. 3206 ff. VV-RVG anfallenden Gebühren vielmehr jedem in einem Vorabentscheidungsverfahren tätig geworden Rechtsanwalt zubilligen wollen, der gemäß Art.19 Abs. 4 Satzung EuGH berechtigt ist, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und dementsprechend auch vor dem Gerichtshof als Vertreter einer Partei aufzutreten. Das schließt umgekehrt eine Anwendbarkeit von Nr. 3208 VV-RVG aus. Denn diese Bestimmung knüpft abweichend von der Postulationsfähigkeit nach Art.19 Abs. 4 Satzung EuGH für die Zubilligung des erhöhten Vergütungssatzes an die im Vorabentscheidungsverfahren unanwendbare Regelung des § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO an, nach der sich vor dem Bundesgerichtshof die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen.
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde der Beklagten auch nicht aus Art. 104 § 2 VerfO EuGH, wonach der Gerichtshof hinsichtlich einer Vertretung der Parteien des Ausgangsverfahrens im Vorabentscheidungsverfahren den vor den jeweiligen nationalen Gerichten geltenden Verfahrensvorschriften Rechnung trägt. Denn das bedeutet – wie bereits das vorliegende Vorabentscheidungsverfahren zeigt, in dem die Klägerin nicht durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten war – nicht, dass abweichend von Art.19 Abs. 4 Satzung EuGH die besondere Vertretungsregelung des § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO auch in einem Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Gerichtshof gelten soll, wenn das Ausgangsverfahren vor dem Bundesgerichtshof anhängig ist[12]. Das Rücksichtnahmegebot hat sich vielmehr darin erschöpft, dass die nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 Satzung EuGH vorzunehmende Zustellung der Vorabentscheidungsvorlage entsprechend § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO an den für das Revisionsverfahren bestellten Prozessbevollmächtigten der Beklagten bewirkt worden ist. Diese Zustellung hat jedoch weder zur Folge gehabt, dass die Parteien sich im Vorabentscheidungsverfahren nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen konnten, noch hat sie – anders als die Rechtsbeschwerde der Beklagten meint – sonst eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3208 VV-RVG ausgelöst. Denn die Entgegennahme der Zustellung hat gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 9 RVG jedenfalls gebührenrechtlich noch zum anhängigen Ausgangsverfahren vor dem Bundesgerichtshof gezählt und war durch die dort bereits verdiente Verfahrensgebühr des Rechtsanwalts mit abgegolten[13].
Gleichwohl ist im kostenrechtlichen Schrifttum umstritten, ob sich trotz des Umstandes, dass bei einer Vorabentscheidungsvorlage des Bundesgerichtshofs die Vertretungsregelung des § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO im anschließenden Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof keine Anwendung findet, die Verfahrensgebühr für eine Teilnahme am Vorabentscheidungsverfahren nach Nr. 3208 VV-RVG bemisst. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass der an sich entgegenstehende Wortlaut, wonach sich die Parteien im Verfahren nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen können, hinter der besonderen Bedeutung der Verfahren vor dem Gerichtshof, insbesondere in Anbetracht der Ausstrahlungswirkung der in solchen Verfahren ergehenden Entscheidungen, zurückstehen müsse und es nicht angemessen erscheine, eine andere als die höchste der in Betracht kommenden Gebühren in Ansatz zu bringen. Eine auf Sinn und Zweck des § 38 RVG abstellende Auslegung müsse deshalb zur Folge haben, dass dem Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im Vorabentscheidungsverfahren die Verfahrensgebühr nach Nr. 3208 VV-RVG zustehe, und zwar unabhängig davon, ob er beim Bundesgerichtshof zugelassen sei oder nicht[14]. Diese Auffassung wird allerdings überwiegend unter Hinweis auf den eindeutigen und insoweit nicht erweiterungsfähigen Wortlaut von Nr. 3208 VV-RVG abgelehnt[15]. Dem ist zu folgen.
Abgesehen davon, dass bereits der Wortlaut von Nr. 3208 VV-RVG der vorgeschlagenen generellen Erweiterung auf die in einem Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof entstehende Verfahrensgebühr entgegensteht, bietet auch das Gesetzgebungsverfahren keinen Anhalt für eine derartige Auslegung. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber die in § 113a Abs. 1 Satz 2 BRAGO vorgenommene Verweisung auf § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO, von der die Nr. 3208 VV-RVG entsprechende Bestimmung in § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO ausdrücklich nicht erfasst war, in § 38 Abs. 1 Satz 1 RVG nur fortschreiben und auf die in Nr. 3206 ff. VV-RVG neu gefassten Gebührentatbestände umsetzen wollen[16]. Dass er dabei die allgemein für Revisionsverfahren in Ansatz zu bringenden Gebühren als dem Vorabentscheidungsverfahren nicht mehr angemessen erachtet hat und sonst zu einer generellen Gebührenerhöhung für das Vorabentscheidungsverfahren gelangen wollte, ist nicht erkennbar.
Die angemeldete Terminsgebühr nach Nr. 3210 VV-RVG haben die Vorinstanzen dagegen zu Unrecht abgesetzt. Zwar hat der Gerichtshof im Vorabentscheidungsverfahren ohne mündliche Verhandlung entschieden. Gleichwohl kann der Rechtsanwalt der Beklagten für das Vorabentscheidungsverfahren die Terminsgebühr beanspruchen. Denn nach der für Nr. 3210 VV-RVG entsprechend geltenden Anmerkung 1 Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV-RVG entsteht eine Terminsgebühr auch dann, wenn in einem Verfahren, für das eine mündliche Verhandlung vorgesehen ist, im Einverständnis der Parteien oder Beteiligten ohne eine solche entschieden wurde. Ein solcher Fall liegt hier vor.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Gebührentatbestand, wie er in Anmerkung 1 Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV-RVG beschrieben ist, auch dann gegeben, wenn in einer nach dem Gesetz grundsätzlich zu verhandelnden Sache durch das Gericht ausnahmsweise ohne eine mündliche Verhandlung entschieden werden kann, und zwar selbst wenn dazu keine Zustimmung der Parteien nötig ist. Namentlich für das Verfahren in Wohnungseigentumssachen, in dem gemäß § 44 Abs. 1 WEG aF für den Regelfall eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben war, ist der Anfall einer Terminsgebühr auch dann bejaht worden, wenn das Gericht abweichend von der Regel ohne eine mündliche Verhandlung entschieden hat. Denn hier kann das Gericht von der – auch dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs dienenden – mündlichen Verhandlung nur dann absehen, wenn dem mit der Verhandlung verfolgten Zweck einer umfassenden Sachaufklärung bereits durch die vorbereitenden Schriftsätze in ausreichender Weise Rechnung getragen worden ist und zusätzliche Erkenntnisse in einem Verhandlungstermin nicht zu erwarten sind. In einem derartigen Fall gebietet es aber der von Anmerkung 1 Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV-RVG verfolgte Regelungszweck, dem Rechtsanwalt eine zusätzliche Gebühr für seine besonders gründliche und umfassende schriftliche Vorarbeit, die mit der eine mündliche Verhandlung entbehrlich machenden entscheidungsreifen Darstellung des Sachverhalts verbunden ist, genauso zuzubilligen wie im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO beziehungsweise § 495a ZPO, bei dem in vergleichbarer Weise auf Grund einer Ausnahmevorschrift im Einzelfall eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung getroffenen werden kann[17].
Eine derartige Konstellation liegt auch im Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 AEUV vor. Art.20 Satzung EuGH sieht für das Verfahren vor dem Gerichtshof eine Aufgliederung in einen schriftlichen und einen mündlichen Teil des Verfahrens vor. Darauf anknüpfend regelt Art. 104 § 4 Satz 1 VerfO EuGH für das Vorabentscheidungsverfahren, dass dieses auch eine mündliche Verhandlung umfasst. Zwar kann der Gerichtshof nach Durchführung des in der Einreichung beziehungsweise Abgabe der in Art. 23 Satzung EuGH bezeichneten Schriftsätze oder Erklärungen bestehenden schriftlichen Teils des Verfahrens auf Bericht des Berichterstatters nach Anhörung des Generalanwalts und nach Unterrichtung der zur Einreichung von Schriftsätzen oder Abgabe von Erklärungen berechtigten Beteiligten etwas anderes beschließen, wenn kein Beteiligter einen Antrag stellt, in welchem die Gründe anzuführen sind, aus denen er gehört werden will. Gleichwohl bildet die mündliche Verhandlung, in der sich den Beteiligten zudem erstmals die Gelegenheit bietet, auf die Stellungnahmen der jeweils anderen Verfahrensbeteiligten einzugehen[18], den Regelfall, es sei denn, die Sach- und Rechtslage ist bereits aufgrund des schriftlichen Verfahrens derart eindeutig, dass die mündliche Verhandlung zur Entscheidungsfindung nichts mehr beizutragen vermag[19].
Hat der Europäische Gerichtshof – wie hier – nach dem schriftlichen Verfahren die der Gewährung rechtlichen Gehörs dienende mündliche Verhandlung für entbehrlich gehalten, ist es deshalb ebenso etwa wie im Fall des § 44 Abs. 1 WEG aF gerechtfertigt, dem Rechtsanwalt nach dem von Anmerkung 1 Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV-RVG verfolgten Regelungszweck eine Terminsgebühr für die aufgewandte Mühe zuzubilligen, die mit der entscheidungsreifen Vorbereitung der Sache verbunden war[20].
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 8. Mai 2012 – VIII ZB 3/11
- Riedel/Sußbauer/Schneider, RVG, 9. Aufl., § 38 Rn. 4; AnwK-RVG/Wahlen, 5. Aufl., § 38 Rn. 7; Mayer in Mayer/Kroiß, RVG, 4. Aufl., § 38 Rn. 11; Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., § 38 Rn. 5; Burhoff in Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 19. Aufl., § 38 Rn. 4; Jungbauer in Bischoff/Jungbauer/Bräuer/Curcovic/Mathias/Uher, RVG, 3. Aufl., § 38 Rn. 24; Hartung/Schons/Enders, RVG, 2011, § 38 Rn. 8; Houben in Baumgärtel/Hergenröder/Houben, RENO-Kommentar RVG, 14. Aufl., § 38 RVG Rn. 4[↩]
- BT-Drucks. 15/1971, S.197[↩]
- Burhoff, aaO; Mayer, aaO; Hartung/Römermann/Schons, aaO; AnwK-RVG/Wahlen, aaO; Jungbauer, aaO; Houben, aaO[↩]
- EuGH, Slg. 2010, I-1255 Rn. 63; 2001, I-9687 Rn. 24, 27 – Clean Car Autoservice GmbH/Stadt Wien und Republik Österreich[↩]
- EuGH, Slg. 2001, I-9687 Rn. 26 f.[↩]
- vgl. BT-Drucks. 15/1971, S.193, 197[↩]
- vgl. BT-Drucks. 7/2016, S. 105 f. [zu § 113a BRAGO]; Schumann/Geißinger, BRAGO, 2. Aufl., § 113a Rn. 3; AnwK-RVG/Wahlen, aaO Rn. 4; Riedel/Sußbauer/Schneider, aaO Rn. 2[↩]
- ABl. Nr. C 80 S. 53[↩]
- ABl. L 176 S. 7[↩]
- vgl. BT-Drucks. 15/1971, S.197[↩]
- Gerold/Schmidt/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 113a Rn. 5; AnwK-BRAGO/Wahlen, 2002, § 113a Rn. 6[↩]
- vgl. auch Wägenbaur, VerfO EuGH, 2008, Art.19 Satzung EuGH Rn. 6, Art. 104 VerfO EuGH Rn. 5, jeweils mwN zur Praxis des EuGH[↩]
- vgl. AnwK-RVG/Mock, aaO, § 19 Rn. 81[↩]
- Hartung/Römermann/Schons, aaO Rn. 7 f.; Hartung/Schons/Enders, aaO Rn. 10; Riedel/Sußbauer/Schneider, aaO Rn. 9[↩]
- Mayer, aaO Rn. 13; AnwK-RVG/Wahlen, aaO Rn. 8; Jungbauer, aaO Rn. 25, 28; Houben, aaO Rn. 5; wohl auch Burhoff, aaO[↩]
- BT-Drucks. 15/1971, aaO[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 24.07.2003 – V ZB 12/03, NJW 2003, 2133 unter II 2 b aa [zu § 35 BRAGO]; vom 09.03.2006 – V ZB 164/05, NJW 2006, 2495 Rn. 5 ff.; vom 28.09.2006 – V ZB 105/06, NZM 2007, 43 Rn. 16[↩]
- vgl. Abschnitt C 2 der amtlichen Hinweise für die Prozessvertreter der Verfahrensbeteiligten für das schriftliche und das mündliche Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Stand Februar 2009[↩]
- Borchardt, Der Europäische Gerichtshof, 2000, Art. 234 Rn. 64; Gaitanides in von der Groeben/Schwarze, Kommentar zum EU/EGVertrag, 6. Aufl., Art. 234 EG Rn. 80; Hackspiel in Rengeling/Middeke/Gellermann, Handbuch des Rechtsschutzes in der EU, 2. Aufl., § 25 Rn. 2 ff. mit Beispielen aus der Verfahrenspraxis des Gerichtshofs; Middeke in Rengeling/Middeke/Gellermann, aaO, § 10 Rn. 84; Wägenbaur, aaO, Art. 104 VerfO Rn. 9; Karpenstein in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, 40. Aufl., Art. 234 EGV Rn. 81, 84[↩]
- ebenso auch AnwK-RVG/Wahlen, aaO Rn. 10[↩]