Die Steuerbegünstigung als unzulässige Beihilfe

Der Bundesfinanzhof hat Zweifel, ob eine grunderwerbsteuerrechtliche Begünstigung des nationalen Rechts gegen das Beihilfeverbot des Unionsrechts verstößt und deshalb angewendet werden darf. Er hat daher dem Gerichtshof der Europäischen Union im Rahmen eines sog. Vorabentscheidungsersuchens die Frage vorgelegt, ob die für die Grunderwerbsteuer geltende Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern nach § 6a GrEStG eine unionsrechtlich verbotene Beihilfe darstellt.

Die Steuerbegünstigung als unzulässige Beihilfe

Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 107 Abs. 1 AEUV dahingehend auszulegen, dass eine nach dieser Vorschrift verbotene Beihilfe vorliegt, wenn nach der Regelung eines Mitgliedstaats Grunderwerbsteuer für einen steuerbaren Erwerb aufgrund einer Umwandlung (Verschmelzung) nicht erhoben wird, falls am Umwandlungsvorgang bestimmte Rechtsträger (herrschendes Unternehmen und eine abhängige Gesellschaft) beteiligt sind und die Beteiligung des herrschenden Unternehmens an der abhängigen Gesellschaft in Höhe von 100 % innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang besteht?

Im Streitfall war die klagende Muttergesellschaft seit mehr als fünf Jahren Alleingesellschafterin einer grundbesitzenden Tochtergesellschaft, die auf die Muttergesellschaft verschmolzen wurde. Das Finanzamt sah darin einen grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgang, für den die Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG nicht zu gewähren sei. Nach dieser Vorschrift wird für bestimmte steuerbare Erwerbe aufgrund einer Umwandlung (z.B. Verschmelzung) die Grunderwerbsteuer nicht erhoben. Voraussetzung ist, dass an dem Umwandlungsvorgang ein herrschendes Unternehmen und eine abhängige Gesellschaft beteiligt sind und die Beteiligung des herrschenden Unternehmens an der abhängigen Gesellschaft in Höhe von mindestens 95 % innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang besteht. Das Finanzgericht gab der Klage statt. Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten.

Der Bundesfinanzhof sieht die Verschmelzung der Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft als nach § 6a GrEStG begünstigt an. Unschädlich sei, dass die Muttergesellschaft nach der Verschmelzung aus umwandlungsrechtlichen Gründen keine Beteiligung an der Tochtergesellschaft mehr halten konnte. Der BFH hat zugleich deutlich gemacht, dass er den Begriff des herrschenden Unternehmens i.S. des § 6a Satz 3 GrEStG weit fasst. Damit legt er die Vorschrift entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung sehr weit aus. Nach nationalem Recht wäre folglich die Revision des Finanzamt als unbegründet zurückzuweisen.

Fraglich ist aber, ob die Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG eine unzulässige Beihilfe i.S. von Art. 107 Abs. 1 AEUV ist. Verboten sind danach selektive Beihilfen für bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige.

Der Bundesfinanzhof sieht es als klärungsbedürftig an, ob § 6a GrEStG einen unzulässigen selektiven Vorteil dadurch verschafft, dass die Vorschrift nur für Umwandlungen, nicht aber auch für andere Umstrukturierungsmaßnahmen gilt, auf eine Beteiligungshöhe von mindestens 95% abstellt und eine Mindesthaltedauer von fünf Jahren verlangt. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs ist allerdings die Regelung als Korrektur des grunderwerbsteuerrechtlichen Referenzsystems gerechtfertigt.

Die Grunderwerbsteuer erfasst als Rechtsverkehrssteuer grundsätzlich alle Rechtsvorgänge, bei denen der Rechtsträger eines im Inland gelegenen Grundstücks wechselt. Das gilt für inländische und ausländische Rechtsträger.

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG knüpft die Steuerbarkeit bereits an den Abschluss des schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts an, das -wie beispielsweise ein Kaufvertrag- den Anspruch auf Übereignung des Grundstücks begründet. Ist ein solches Rechtsgeschäft nicht geschlossen worden, ist die dingliche Übereignung (Auflassung) des Grundstücks steuerbar.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG unterliegt zudem der Übergang des Eigentums an einem inländischen Grundstück der Grunderwerbsteuer, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es keiner Auflassung des Grundstücks bedarf. Dazu zählen auch Rechtsträgerwechsel aufgrund von Umwandlungen nach dem UmwG (Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung). Bei diesen Vorgängen geht das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers als Ganzes (Gesamtrechtsnachfolge) oder partiell (Sonderrechtsnachfolge) kraft Gesetzes auf einen neuen Rechtsträger über. Es bedarf keiner Übertragung einzelner Vermögensgegenstände.

Darüber hinaus sind nach § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG weitere Rechtsvorgänge steuerbar. Diese Vorschriften erfassen die Übertragung bzw. Vereinigung von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften, wenn diese grunderwerbsteuerrechtlich einer Grundstücksübertragung gleich kommen.

Diesen Tatbeständen ist gemeinsam, dass nicht das Eigentum am Grundstück auf einen neuen Rechtsträger übergeht, sondern nur unmittelbar oder mittelbar Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft übertragen werden. Wegen der Höhe der insgesamt oder sukzessiv übertragenen Anteile von mindestens 95 % wird ein fiktiver Grundstückserwerb besteuert. Eigentümer des Grundstücks bleibt zwar weiterhin die grundbesitzende Gesellschaft. Die Gesellschafter der grundbesitzenden Gesellschaft haben sich jedoch unmittelbar oder mittelbar geändert.

Für die nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2a oder Abs. 3 GrEStG steuerbaren Rechtsvorgänge wird die Grunderwerbsteuer nach § 6a Satz 1 GrEStG nicht erhoben, wenn der Rechtsvorgang auf einer Umwandlung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG (Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung) beruht.

Die Steuerbegünstigung gilt für Unternehmen mit Sitz im Inland oder im Ausland. Sie erfasst neben Umwandlungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG auch entsprechende Umwandlungen aufgrund des Rechts eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Staats, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet.

§ 6a Satz 3 GrEStG schränkt den Anwendungsbereich der Steuerbegünstigung auf Konzernsachverhalte ein. Danach gilt die Steuerbegünstigung nach § 6a Satz 1 GrEStG nur, wenn an dem Umwandlungsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Abhängig ist eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt ist (§ 6a Satz 4 GrEStG). Begünstigt sind also Umwandlungsvorgänge mit folgenden Beteiligten: ein herrschendes Unternehmen und eine abhängige Gesellschaft, ein herrschendes Unternehmen und mehrere abhängige Gesellschaften, mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften.

Der Bundesfinanzhof legt § 6a GrEStG entsprechend dem Begünstigungszweck, Umstrukturierungen innerhalb von Konzernen zu erleichtern, weit aus.

Das gilt zunächst für den Begriff des herrschenden Unternehmens im Sinne des § 6a Satz 3 GrEStG. Herrschendes Unternehmen kann jede natürliche oder juristische Person, Personengesellschaft oder Personenvereinigung sein, die wirtschaftlich tätig ist. An den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des herrschenden Unternehmens sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn das herrschende Unternehmen über die Beteiligung am abhängigen Unternehmen am Markt teilnimmt. Deshalb ist es nicht erforderlich, dass der an der Umwandlung als herrschendes Unternehmen beteiligte Rechtsträger ein Unternehmer im Sinne des § 2 des Umsatzsteuergesetzes ist. Unerheblich ist auch, ob das herrschende Unternehmen die Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft im Privat- oder im Betriebsvermögen hält.

Die in § 6a Satz 4 GrEStG vorgesehenen Fristen beschränken die Anwendung der Steuerbegünstigung auf Fälle, in denen die Beteiligung des herrschenden Unternehmens an der abhängigen Gesellschaft fünf Jahre vor dem Rechtsvorgang und dieselbe Zeit nach dem Rechtsvorgang besteht. Diese Regelung, die eine dem Zweck der Vorschrift entgegenstehende Ausweitung der Steuerbegünstigung verhindern soll, ist dahin auszulegen, dass die Fristen nur insoweit maßgebend sind, als sie aufgrund der Umwandlung auch eingehalten werden können. So kann beispielsweise bei einer Verschmelzung einer abhängigen Gesellschaft auf das herrschende Unternehmen nur die Frist „vor“ der Verschmelzung eingehalten werden. Nach der Verschmelzung besteht die Beteiligung des herrschenden Unternehmens an der abhängigen Gesellschaft nicht mehr. Die Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG ist zu gewähren, weil die Frist nach der Verschmelzung gerade wegen der Verschmelzung nicht eingehalten werden kann. Dasselbe gilt für die anderen von § 6a Satz 1 GrEStG erfassten Umwandlungsvorgänge, bei denen aus Rechtsgründen die Fristen nicht eingehalten werden können.

Im vorliegenden Streitfall bedeutet dies nach deutschem Recht:

Die Verschmelzung der T-GmbH auf die Muttergesellschaft ist nach § 6a GrEStG begünstigt. Grunderwerbsteuer ist nicht zu erheben.

An dem Umwandlungsvorgang waren die Muttergesellschaft als herrschendes Unternehmen und die auf sie verschmolzene T-GmbH als abhängige Gesellschaft beteiligt. Die Muttergesellschaft ist wirtschaftlich tätig und hatte vor der Verschmelzung mehr als fünf Jahre 100 % der Geschäftsanteile an der T-GmbH gehalten. Unschädlich ist, dass die Muttergesellschaft nach der Verschmelzung keine Beteiligung an der T-GmbH mehr halten konnte. Das Vermögen der T-GmbH ist infolge der Verschmelzung durch Gesamtrechtsnachfolge auf die Muttergesellschaft übergegangen. Die Muttergesellschaft konnte daher die Frist bezüglich der Beteiligung an der T-GmbH aus umwandlungsrechtlichen Gründen nicht einhalten.

Durch die Vorlagefrage zu klären ist, ob die Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG eine nach Art. 107 Abs. 1 AEUV verbotene Beihilfe ist. Zweifel bestehen insbesondere im Hinblick darauf, ob die Steuerbegünstigung tatsächlich nur bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigt und damit einen selektiven Vorteil verschafft. Außerdem könnte die Steuerbegünstigung deshalb nicht als selektiv einzustufen sein, weil sie als Korrektur des Referenzsystems gerechtfertigt ist.

Gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV sind, soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Die Vorschrift verbietet grundsätzlich selektive Beihilfen für bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige[1].

Im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten obliegt die Prüfung, ob eine Steuerbegünstigung als staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen ist, den nationalen Gerichten[2]. Aufgrund dieser Prüfung kann entschieden werden, ob eine Steuerbegünstigung -wie § 6a GrEStG-, die ohne Beachtung des in Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Vorprüfungsverfahrens eingeführt wurde, diesem Verfahren hätte unterworfen werden müssen[3], und welche Folgerungen aus einem möglichen Verstoß zu ziehen sind. Die nationalen Gerichte können jedoch nicht darüber befinden, ob eine staatliche Beihilfe mit dem Binnenmarkt vereinbar ist.

Bestehen Zweifel, ob eine neu eingeführte Steuerbegünstigung eine Beihilfe darstellt, muss der BFH den EuGH nach Art. 267 Abs. 3 AEUV um Auslegung der einschlägigen unionsrechtlichen Bestimmungen ersuchen[4].

Die Einstufung einer nationalen Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV verlangt, dass vier Voraussetzungen erfüllt sind[5]. Erstens muss es sich um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln. Zweitens muss die Maßnahme geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Drittens muss dem Begünstigten durch sie ein selektiver Vorteil gewährt werden. Viertens muss sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen.

Als staatliche Beihilfen gelten Maßnahmen gleich welcher Art, die mittelbar oder unmittelbar Unternehmen begünstigen oder die als ein wirtschaftlicher Vorteil anzusehen sind, den das begünstigte Unternehmen unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte[6].

Die Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG ist ein solcher Vorteil. Die Begünstigten werden dadurch finanziell besser gestellt als die übrigen Steuerpflichtigen, die ebenfalls einen steuerbaren Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1, Abs. 2a oder 3 GrEStG verwirklichen und nicht die Voraussetzungen der Steuerbegünstigung erfüllen.

Fraglich ist, ob die Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG mit einem selektiven Vorteil verbunden ist.

Die Beurteilung der Selektivität verlangt die Feststellung, ob eine nationale Maßnahme im Rahmen einer bestimmten rechtlichen Regelung geeignet ist, „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ gegenüber anderen Unternehmen oder Produktionszweigen zu begünstigen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden und somit eine unterschiedliche Behandlung erfahren, die im Wesentlichen als diskriminierend eingestuft werden kann[7].

Für die Einstufung einer nationalen steuerlichen Maßnahme als „selektiv“ muss in einem ersten Schritt die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltende allgemeine oder „normale“ Steuerregelung ermittelt werden. In einem zweiten Schritt muss dargetan werden, dass die in Rede stehende steuerliche Maßnahme vom allgemeinen System insoweit abweicht, als sie Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern einführt, die sich im Hinblick auf das mit dieser allgemeinen Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden[8].

Der Umstand, dass sehr viele Unternehmen eine nationale Maßnahme in Anspruch nehmen können oder dass diese Unternehmen mehreren Wirtschaftszweigen angehören, genügt nicht, um die Selektivität dieser Maßnahme und damit ihre Eigenschaft als staatliche Beihilfe zu verneinen[9]. Eine steuerliche Maßnahme kann auch dann selektiv wirken, wenn sie von der Art der Tätigkeit der begünstigten Unternehmen unabhängig ist[10]. Andererseits verleiht allein der Umstand, dass nur die Steuerpflichtigen, die die Voraussetzungen für die Anwendung einer Maßnahme erfüllen, diese in Anspruch nehmen können, der Maßnahme keinen selektiven Charakter[11].

Es bestehen Zweifel, ob die in § 6a GrEStG genannten Voraussetzungen eine Selektivität begründen können. Da eine Steuerbegünstigung im Allgemeinen stets von Voraussetzungen abhängig ist und damit regelmäßig bestimmte Steuerpflichtige vom Anwendungsbereich ausgeschlossen sind, muss geklärt werden, welche Wirkungen diese Voraussetzungen in Bezug auf den Beihilfecharakter der Vorschrift haben. Die Unterscheidung zwischen beihilfebegründenden und nicht beihilfebegründenden Voraussetzungen ist nicht eindeutig.

Die Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG beschränkt sich nach ihrem Wortlaut nicht auf bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige. Sie gilt vielmehr unabhängig von der Art der Tätigkeit für alle inländischen und ausländischen Unternehmen, die Umwandlungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG (Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung) oder entsprechende Umwandlungen nach dem Recht der Mitgliedstaaten der EU oder eines Staats, auf den das Abkommen über den EWR Anwendung findet, durchführen.

Soweit die Steuerbegünstigung an bestimmte Voraussetzungen anknüpft (Umwandlungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG oder vergleichbare Umwandlungen in der EU bzw. im EWR-Raum, Festlegung der beteiligten Rechtsträger, Beteiligung des herrschenden Unternehmens von mindestens 95 %, Dauer der Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft), bestehen Zweifel, ob die Vorschrift deswegen einen selektiven Vorteil verschafft. Die selektive Wirkung könnte sich zum einen daraus ergeben, dass die Vorschrift nur für Umwandlungen und nicht für andere Maßnahmen zur Umstrukturierung gilt. Zum anderen könnte die selektive Wirkung darin bestehen, dass konzernzugehörige Unternehmen vom Anwendungsbereich des § 6a GrEStG ausgeschlossen sind, wenn das herrschende Unternehmen im Konzern nicht die geforderte Beteiligung von mindestens 95 % an einer abhängigen Gesellschaft aufweisen kann oder die Beteiligung an einer abhängigen Gesellschaft nicht während der gesamten Frist von fünf Jahren, sondern nur während einer kürzeren Frist vor und nach dem Rechtsvorgang besteht.

Die Beschränkung des § 6a GrEStG auf Umwandlungen (Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung) bewirkt, dass Wirtschaftsteilnehmer, die Erwerbsvorgänge ohne Umwandlung verwirklichen, von der Steuerbegünstigung ausgeschlossen sind. Wird zum Beispiel innerhalb eines Konzerns ohne begünstigte Umwandlung nur die Beteiligung von mindestens 95 % an einer grundbesitzenden Gesellschaft oder ein Grundstück übertragen, so fällt Grunderwerbsteuer an, ohne dass die Steuerbegünstigung des § 6a GrEStG anzuwenden ist. Die Wirtschaftsteilnehmer, die die von § 6a GrEStG erfassten Erwerbsvorgänge ohne Umwandlung verwirklichen, können sich im Hinblick auf das mit § 1 GrEStG verfolgte Ziel, Rechtsträgerwechsel bei Grundstücken und entsprechende Übertragungen bzw. Vereinigungen von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften zu besteuern, in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation wie Wirtschaftsteilnehmer befinden, die den Erwerbsvorgang durch Umwandlung verwirklichen. Wird eine Umstrukturierung innerhalb des Konzerns nicht mittels Umwandlung, sondern durch eine andere Maßnahme herbeigeführt, ist § 6a GrEStG jedoch nicht anwendbar. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass die Beschränkung auf Umwandlungen selektiv ist. Gegen eine vergleichbare tatsächliche und rechtliche Situation der Wirtschaftsteilnehmer könnte jedoch sprechen, dass es bei einer Umwandlung stets zu einem Rechtsträgerwechsel kommt, während andere Maßnahmen so ausgestaltet werden können, dass die in § 6a Satz 1 GrEStG genannten steuerbaren Erwerbsvorgänge nicht verwirklicht werden.

Das Erfordernis einer Beteiligung des herrschenden Unternehmens von mindestens 95 % an einer abhängigen Gesellschaft nach § 6a Satz 4 GrEStG führt ebenfalls zu einer Unterscheidung zwischen den Wirtschaftsteilnehmern.

Wirtschaftsteilnehmer mit einer solchen qualifizierten Beteiligung sind jedoch im Hinblick auf die Grunderwerbsteuer nicht in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation wie Wirtschaftsteilnehmer, deren Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft weniger als 95 % beträgt. Die Übertragung der qualifizierten Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft unterliegt nach § 1 Abs. 2a und 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Insoweit löst die Übertragung einer qualifizierten Beteiligung grunderwerbsteuerrechtlich dieselben Rechtsfolgen aus wie die Übertragung eines Grundstücks. Demgegenüber kann der Inhaber einer nicht qualifizierten Beteiligung diese übertragen, ohne dass der Vorgang mit Grunderwerbsteuer belastet wird; hier kann Grunderwerbsteuer nur anfallen, wenn weitere Anteilseigner Anteile übertragen, so dass insgesamt mindestens 95 % der Anteile auf neue Rechtsträger übergehen. Dieser Unterschied könnte dafür sprechen, dem Erfordernis einer qualifizierten Beteiligung des herrschenden Unternehmens keine selektive Wirkung beizumessen.

Die Einhaltung der Frist bezüglich der Beteiligung des herrschenden Unternehmens an der abhängigen Gesellschaft nach § 6a Satz 4 GrEStG ist ein Kriterium, das ebenfalls dazu führen könnte, dass Wirtschaftsteilnehmer in vergleichbaren Situationen unterschiedlich behandelt werden. Ein herrschendes Unternehmen, das an der abhängigen Gesellschaft zum Zeitpunkt der Umwandlung noch nicht fünf Jahre beteiligt war, ist von der Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG ausgeschlossen, auch wenn zu diesem Zeitpunkt bereits ein Bedarf nach Umstrukturierung besteht. Dementsprechend könnten auch die in § 6a Satz 4 GrEStG vorgesehenen Fristen dazu beitragen, die Steuerbegünstigung als selektiv einzustufen.

Dem steht die im Referenzsystem in § 1 Abs. 2a GrEStG geregelte Fünfjahresfrist nicht entgegen. § 1 Abs. 2a GrEStG stellt auf den Wechsel im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft innerhalb von fünf Jahren ab. § 6a Satz 4 GrEStG knüpft demgegenüber für alle von § 6a Satz 1 GrEStG erfassten Erwerbsvorgänge an das Innehaben der Beteiligung für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren vor und nach dem Erwerbsvorgang an.

Die Voraussetzung der Selektivität ist jedoch nicht gegeben, wenn eine Maßnahme zwar einen Vorteil für den Begünstigten darstellt, aber durch die Natur oder den allgemeinen Aufbau des Systems, in das sie sich einfügt, gerechtfertigt ist[12].

Der Begriff der staatlichen Beihilfe erfasst staatliche Maßnahmen, die eine Differenzierung zwischen Unternehmen vornehmen und damit a priori selektiv sind, dann nicht, wenn diese Differenzierung aus der Natur oder dem inneren Aufbau der Lastenregelung folgt, mit der sie in Zusammenhang stehen[13].

Eine Maßnahme, die eine Ausnahme von der Anwendung des allgemeinen Steuersystems darstellt, kann gerechtfertigt sein, wenn sie nachweisbar unmittelbar auf den Grund- oder Leitprinzipien seines Steuersystems beruht. Insoweit ist zu unterscheiden zwischen den mit einer bestimmten Steuerregelung verfolgten Zielen, die außerhalb dieser Regelung liegen, und den dem Steuersystem selbst inhärenten Mechanismen, die zur Erreichung dieser Ziele erforderlich sind[14].

Die Rechtfertigung für die Steuerbegünstigung des § 6a GrEStG könnte sich daraus ergeben, dass die Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1, Abs. 2a und 3 GrEStG aus grunderwerbsteuerrechtlicher Sicht zu weit gefasst sind und deshalb für bestimmte Konzernsachverhalte einer Korrektur durch Einschränkung des Anwendungsbereichs bedürfen. Dabei ist unerheblich, dass die Einschränkung nicht in den einzelnen Vorschriften zu den steuerbaren Rechtsvorgängen aufgenommen wurde, sondern wegen der in mehreren Vorschriften geregelten Steuerbarkeit von Rechtsvorgängen als Steuerbegünstigung ausgestaltet wurde.

§ 6a GrEStG könnte dahin verstanden werden, dass die Vorschrift insbesondere die Rechtsfolgen aus dem weiten Anwendungsbereich des in den Umwandlungsfällen zumeist einschlägigen § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG begrenzt. Für steuerbare Rechtsvorgänge aufgrund einer Umwandlung (wie im Streitfall einer Verschmelzung) wird unter bestimmten Voraussetzungen nach § 6a GrEStG keine Grunderwerbsteuer erhoben. Zweck der Grunderwerbsteuer ist die Besteuerung des Rechtsträgerwechsels bei Grundstücken. Unter den in § 6a GrEStG aufgestellten weiteren Voraussetzungen (qualifiziertes Beteiligungsverhältnis, Behaltensfristen) könnte davon auszugehen sein, dass ein besteuerungswürdiger Rechtsträgerwechsel nicht vorliegt. Durch die Voraussetzungen wird der nicht besteuerungswürdige Rechtsträgerwechsel vom besteuerungswürdigen Rechtsträgerwechsel abgegrenzt.

Dies wird im Streitfall deutlich, in dem eine Tochtergesellschaft (T-GmbH) auf die Muttergesellschaft (Muttergesellschaft) verschmolzen wird. Der Muttergesellschaft war der Grundbesitz der T-GmbH grunderwerbsteuerrechtlich bereits aufgrund der Beteiligung von 100 % an der T-GmbH zuzuordnen. Der nachfolgende zivilrechtliche Erwerb des Grundbesitzes durch die Muttergesellschaft aufgrund der Umwandlung ist zwar steuerbar. Aus grunderwerbsteuerrechtlicher Sicht ist dies aber eine zu weitgehende Rechtsfolge, weil der Grundbesitz schon vorher der Muttergesellschaft zuzuordnen war.

§ 6a GrEStG steht nur bestimmten Unternehmen bzw. Gesellschaften offen, bei denen ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis besteht. Dies soll sicherstellen, dass die Rechtsfolgen der von § 6a GrEStG begünstigten Erwerbsvorgänge nur in einem genau umschriebenen Anwendungsbereich zurückgenommen werden.

Dasselbe gilt für die einzuhaltenden Fristen in Bezug auf die Beteiligung des herrschenden Unternehmens an der abhängigen Gesellschaft. Dadurch soll vermieden werden, dass Beteiligungen kurzfristig erworben werden, um Umwandlungen ohne Grunderwerbsteuerbelastung auszuführen. Die Fristen grenzen den Anwendungsbereich des § 6a GrEStG in sachgerechter Weise ein, um ungewollte Mitnahmeeffekte zu verhindern. Ähnliche Regelungen finden sich im Referenzsystem an anderer Stelle (so zum Beispiel in § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 4 GrEStG).

Für die Qualifizierung einer nationalen Maßnahme als staatliche Beihilfe bedarf es nicht des Nachweises einer tatsächlichen Auswirkung der fraglichen Beihilfe auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten und einer tatsächlichen Wettbewerbsverzerrung, sondern nur der Prüfung, ob die Beihilfe geeignet ist, diesen Handel zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen[15]. Der innergemeinschaftliche Handel wird insbesondere dann durch eine von einem Mitgliedstaat gewährte Beihilfe beeinflusst, wenn sie die Stellung eines Unternehmens gegenüber anderen, konkurrierenden Unternehmen in diesem Handel stärkt.

Fraglich ist, ob die Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen. Dies könnte nur angenommen werden, wenn davon auszugehen wäre, dass diese Eignung im Grunde jeder Steuerbegünstigung innewohnt.

Nach alledem gibt es beachtenswerte Gründe dafür, § 6a GrEStG bei Sachverhalten wie im Streitfall nicht als selektive Beihilfe anzusehen. Die Steuerbegünstigung erscheint als gerechtfertigt.

Die dem EuGH vorgelegten Fragen sind entscheidungserheblich.

Sollte es sich bei § 6a GrEStG um eine Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV handeln, wäre die Vorschrift nach Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV bis zu einer Entscheidung der Kommission über die Vereinbarkeit der Steuerbegünstigung mit dem Binnenmarkt nicht anwendbar. Das Revisionsverfahren müsste bis zur Entscheidung der Kommission ausgesetzt werden.

Sollte die Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG keine verbotene Beihilfe sein, wäre die Entscheidung des Finanzgericht rechtmäßig. Die Revision des Finanzamt wäre unbegründet. Die Muttergesellschaft könnte die Steuerbegünstigung beanspruchen.

Sollte der EuGH das Vorliegen einer Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV bejahen, wäre § 6a GrEStG bis zu einer Entscheidung der Europäischen Kommission über die Vereinbarkeit der Steuerbegünstigung mit dem Binnenmarkt nicht anwendbar. Der Streitfall und wie auch die weitere Anwendung dieser Vorschrift müsste bis zu einer Entscheidung durch die Kommission ausgesetzt werden.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30. Mai 2017 – II R 62/14

  1. EuGH, Urteile P vom 18.07.2013 – C-6/12, EU:C:2013:525, Rz 17, und Ministerio de Defensa und Navantia vom 09.10.2014 – C-522/13, EU:C:2014:2262, Rz 32[]
  2. vgl. EuGH, Urteile Lucchini vom 18.07.2007 – C-119/05, EU:C:2007:434, Rz 50, und Ministerio de Defensa und Navantia, EU:C:2014:2262, Rz 55[]
  3. EuGH, Urteil Lucchini, EU:C:2007:434, Rz 50[]
  4. EuGH, Urteil Deutsche Lufthansa vom 21.11.2013 – C-284/12, EU:C:2013:755, Rz 44[]
  5. vgl. EuGH, Urteil World Duty Free Group vom 21.12 2016 – C-20/15 P und – C-21/15 P, EU:C:2016:981, Rz 53, und die dort angeführte Rechtsprechung[]
  6. EuGH, Urteil Ministerio de Defensa und Navantia, EU:C:2014:2262, Rz 21[]
  7. EuGH, Urteile World Duty Free Group, EU:C:2016:981, Rz 54, und Kommission/Aer Lingus vom 21.12 2016 – C-164/15 P und – C-165/15 P, EU:C:2016:990, Rz 51[]
  8. EuGH, Urteil World Duty Free Group, EU:C:2016:981, Rz 57[]
  9. EuGH, Urteil World Duty Free Group, EU:C:2016:981, Rz 80[]
  10. EuGH, Urteil World Duty Free Group, EU:C:2016:981, Rz 81[]
  11. vgl. EuGH, Urteil World Duty Free Group, EU:C:2016:981, Rz 59[]
  12. EuGH, Urteile Paint Graphos u.a. vom 08.09.2011 – C-78/08 bis – C-80/08, EU:C:2011:550, Rz 64, und Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke vom 08.11.2001 – C-143/99, EU:C:2001:598, Rz 42[]
  13. EuGH, Urteil Ministerio de Defensa und Navantia, EU:C:2014:2262, Rz 42, und die dort angeführte Rechtsprechung[]
  14. EuGH, Urteil Ministerio de Defensa und Navantia, EU:C:2014:2262, Rz 43[]
  15. EuGH, Urteil Ministerio de Defensa und Navantia, EU:C:2014:2262, Rz 51, und die dort angeführte Rechtsprechung[]